2415 - Armee der Mikro-Bestien
Art.
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Ich registrierte die Abschaltung der Lebenserhaltungssysteme. Die Luftumwälzung und mit ihr die Temperaturkontrolle kam zum Erliegen. Zweifellos sollte dies vorbeugen, falls Viren, Bakterien oder andere Erreger freigesetzt wurden. Abstufungen, vermutete ich, waren nicht vorgesehen.
Das Schiff würde auskühlen, langsam erst, doch wegen seiner großen Außenfläche und des geringen Rumpfdurchmessers zunehmend schneller. Aber darüber zerbrach ich mir nicht den Kopf.
Die Anatomen würden davon ebenso betroffen sein wie wir im Genetischen Magazin, und dass alle Besatzungsmitglieder Zugriff zu Schutzanzügen hatten, konnte ich nicht glauben. Der Verschlusszustand war spontan eingeleitet worden.
Ich fragte mich, wie der Hoch-Medokogh der DERUFUS auf den Vorstoß der Dumpf-Bestien reagierte.
Dumpf-Bestien – mir widerstrebte diese Bezeichnung zutiefst, dennoch benutzte ich sie. Aber das war jetzt nicht wichtig.
Wir waren im Magazin isoliert worden. Es gab keinen Weg nach draußen.
Selbst Wartungsschächte und Versorgungstunnel waren fortan unzugänglich.
Andererseits konnte auch niemand zu uns vorstoßen, keine Anatomen, keine Hilfstruppen, keine Roboter. Ob es noch Einheiten der erweckten Mor’Daer an Bord gab? Und: Würden wir ihr Geheimnis herausbekommen?
Spätestens mit dem Verschlusszustand würde der Hoch-Medokogh erkannt haben, dass er der Situation alleine nicht mehr Herr werden konnte. Würde er Unterstützung von außen anfordern? Waren überhaupt andere Kolonnen-Einheiten in der Nähe? Und würden sie bereit sein, eine Kostbarkeit wie das Genetische Magazin notfalls zu opfern?
Ich pokerte hoch, indem ich diese drei Fragen mit Nein beantwortete. Nun – vielleicht nicht gar so hoch, schließlich hatten mir meine Unterhaltungen mit den beiden Kolonnen-Anatomen Sheymor Merquin und Pharoib Inssino viel Aufschluss über deren Art, zu denken und zu entscheiden, gegeben.
Die beiden Anführer der Mikro-Bestien wandten sich soeben ab, als wollten sie die Schaltzentrale verlassen. Was immer sie vorhaben mochten, ich bezweifelte, dass es mir gefallen würde.
„Senego Trainz! Mor Frant! Wollt ihr davonlaufen wie verprügelte Mor’Daer?", rief ich ihnen nach.
Frant wirbelte herum. Sein winziges Puppengesicht verzerrte sich. Aber vielleicht bildete ich mir das nur ein, weil ich es genau so zu sehen erwartete.
„Was willst du?", brüllte er.
„Wir müssen uns vorbereiten", antwortete ich. „Der Verschlusszustand wird nur kurze Zeit bestehen bleiben."
Senego Trainz reagierte mit einer umfassenden Geste.
„Du hast recht", stellte er fest, als hätte ich schon alles vorgebracht, was mir auf der Zunge lag. „Jetzt ist es an der Zeit, alle brauchbaren Ausrüstungsgegenstände und vor allem Waffen im Magazin aufzuspüren und festzustellen, was wir davon verwenden können. Du wirst dich beeilen müssen, die Sperren wenigstens partiell aufzuheben."
Ich stutzte.
Natürlich gab es Möglichkeiten, den Verschlusszustand aufzuheben. Die Frage war nur, ob sich mir ausgerechnet in der kleinen Schaltstation des Magazins die Voraussetzungen dafür boten. Versuchen musste ich es dennoch.
Ganymed kam zurück. Von etlichen Mikro-Bestien gefolgt, blieb er auf halbem Weg zwischen dem Eingangsschott und meiner Befehlskonsole stehen. Ich sah, dass er mit beiden Laufarmen eine Vielzahl kleiner Waffen an sich drückte.
„Das ist Ganymed", sagte ich. „Er hat mich aus dem Tank befreit und ..."
„Ich kenne den Makro." Trainz fiel mir ins Wort. „Wir wurden mehrmals zur gleichen Zeit in einem Terrarium eingesetzt."
Mit geradezu affenartiger Geschicklichkeit schwang er sich an einem Aggregatblock in die Höhe und befand sich wenige Sekunden später beinahe auf Augenhöhe mit Ganymed.
„Die erbeuteten Waffen kannst du ablegen, Makro."
„Ich nenne mich Ganymed", erklärte mein Freund polternd.
„Ab sofort unterstehst du meinem Kommando."
„Rwa Dauton bestimmt, was ich zu tun habe", widersprach Ganymed heftig.
„Ich bin ihm verpflichtet, aber keiner Mikro-Bestie."
Senego Trainz reagierte kaum darauf.
Aber Frant spannte sich deutlich sichtbar an. Für einige Sekunden hatte ich den Eindruck, Frant wolle sich am liebsten auf Ganymed stürzen, doch dann wandte er sich ruckartig um und verließ die Zentrale.
„Senego Trainz", rief ich dem Anführer der Mikro-Bestien hinterher, als er seinem Stellvertreter mit einiger Distanz folgte, „wir haben alle nur das Ziel, dem Zugriff der Kolonne zu
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