2437 - Die immaterielle Stadt
sagte Bull, „und lässt sie durch die Schattenschleusen ein, und dieses Mal hat sie offenbar ..."
„Ja. Dieses Mal hat sie euch erwählt."
Reginald atmete tief durch. Wenn die immaterielle Stadt Bewohner suchte ... stand dann zu befürchten, dass sie sie nicht mehr gehen lassen würde?
„Warum?", fragte er. „Warum tut die Stadt so etwas?"
„Die Motive, die die Stadt zu dieser Handlungsweise bewegen, kenne ich nicht. Ebenso wenig – um deine nächste Frage vorwegzunehmen – wie das Motiv der Erbauer, Prymtuor überhaupt auf eine so seltsame Reise zu schicken."
Wahrscheinlich stellen alle Neuankömmlinge die gleichen Fragen, dachte Bull. Und Khaltaaquee hat sie wohl schon so oft beantwortet, dass er schon eine gewisse Routine darin hat.
„Wir vermuten", erläuterte der alte Felide, „dass Prymtuor einst als Zufluchtsort für Wesen diente, die an vielen Orten und zu vielen Zeiten gejagt wurden, und dass diese einstigen Bewohner längst ausgestorben sind. Prymtuor jedoch hat nach dieser Theorie die Zeiten überdauert und sich mangels Bewohnern, die die Stadt bevölkerten, neue gesucht.
Aber wie gesagt, das ist nur eine Vermutung; es kann sein oder auch nicht. Wir wissen es nicht, denn der Forschergeist der Glücklichen, die in Prymtuor Einlass finden, hält nie sehr lange an. Die Stadt übt einen starken mentalen Einfluss aus.
Die Bewohner von Prymtuor werden über kurz oder lang stets zu Wesen ohne Ambition. Sie hören zu forschen auf, streiten nicht, lernen eine innere Bescheidenheit."
Als Bull den Blick über die fremden Wesen gleiten ließ, die sich in diesem Garten die Zeit vertrieben, verstand er, was Khaltaaquee meinte.
„Was wiederum bedeutet", fuhr der Felide fort, „dass in Prymtuor ein sehr, sehr freundliches Miteinander herrscht. Entspannt euch also, ihr seid hier geborgen und den Gefahren entronnen, die euch bedroht haben."
O ja, Bull konnte die Ausstrahlung allgegenwärtigen Gleichmuts, die in Prymtuor herrschte, tatsächlich deutlich spüren. Aus dem Paradies, das Khaltaaquee in höchsten Tönen pries, war für ihn plötzlich nichts anderes als eine Hölle geworden. Kein Ehrgeiz mehr, keine Neugierde, nichts! All das verloren, was einen Terraner eigentlich ausmachte ...
„Verdammt", murmelte Dr. Carapol neben ihm, „wenn man es genau nimmt, ist das exakt die Antwort auf das Versprechen der Stadt, sämtliche Wünsche zu erfüllen. Denn andere Wünsche als die, die man in Prymtuor ohnehin erfüllt bekommt, hat man dann ja sowieso nicht mehr ..."
Erneut sah Bull zu den Fremdwesen.
Würden Baldwin, Marc und er nach einigen Tagen oder Wochen in der Stadt genauso werden wie diese Bewohner von Prymtuor der Herrlichen?
Er sah Carapol an. „Wir müssen hier weg. So schnell wie möglich."
Dann schaute er wieder zu dem Feliden. Er glaubte, dessen nächsten Satz bereits zu kennen: Wer Prymtuor die Herrliche einmal betreten hat, kann sie nie wieder verlassen.
Zu seiner Überraschung sagte Khaltaaquee jedoch: „Wenn das wirklich euer Wunsch ist, werde ich euch dabei helfen."
„Soll das heißen ...?"
„Du und deine Begleiter, ihr müsst euch nicht gebunden fühlen", antwortete Khaltaaquee. „Jeder Bewohner kann die Stadt verlassen, wo und wann immer es ihm beliebt. Wir, die wir hier Schutz gefunden haben, sind beileibe keine Gefangenen."
Bull wartete auf das „Aber", aber es kam nicht. „Einfach so?", fragte er, als Khaltaaquee nichts mehr sagte.
„Einfach so. Wer die Stadt verlässt, kann nie mehr zurückkehren, weil Prymtuor einen Abtrünnigen kein zweites Mal aufnimmt. So kommt es, dass nur selten einmal ein Bewohner geht."
Warum auch, dachte Bull, wenn es keine Ambitionen mehr gibt, die einen nach draußen führen, und im Inneren von Prymtuor das Leben fast ewig dauert?
Ihm war klar, dass er selbst Prymtuor damit nie wieder erkunden konnte, aber das war jetzt zweitrangig. Es gab andere, die das gegebenenfalls übernehmen konnten – falls die Stadt sie denn akzeptierte.
Er wählte seine Worte mit Bedacht, wollte vermeiden, den freundlichen Feliden vor den Kopf zu stoßen. „Wir können keinesfalls eine ewige Schleife durch Zeiten, Dimensionen und Galaxien mitmachen. Jemand hat uns eine Frist gesetzt, und wenn wir die verpassen, können wir nicht mehr in unsere Heimat zurück.
Oder das, was noch davon übrig ist."
„Jemand?"
Bull fiel auf, dass das die erste Frage war, die Khaltaaquee ihm gestellt hatte.
Offenbar war diese Entscheidung für den Feliden so
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