2437 - Die immaterielle Stadt
jetzt können wir in aller Ruhe über unsere nächsten Schritte nachdenken ...
Er spielte einen Moment lang mit dem Gedanken, die Mission abzubrechen, und gab das sinnlose Unterfangen, vernünftig zu sein, dann wieder auf. Er hatte Blut geleckt. Und ein Reginald Bull zog nicht unverrichteter Dinge wieder ab, wenn nicht die geringste Gefahr zu drohen schien.
Er schaute wieder nach vorn, blickte in einen unbelebten Korridor, der Dutzende von Metern geradeaus zu führen schien.
Die Wände, die Decke und der Boden waren perlweiß gekachelt. Die Umgebung kam Bull kalt und aseptisch vor.
Er überprüfte die Armbandanzeigen.
Die Luft war atembar und ungefährlich. „Wir können die Helme öffnen und gehen dann weiter", entschied er. Als er den nächsten Schritt tat, erklang die mentale Stimme in seinem Kopf.
Suchst du das Licht, so finde die Zeit.
Stirnrunzelnd blieb er wieder stehen. „Habt ihr das auch gehört?"
„Suchst du das Licht, so finde die Zeit", bestätigte Dr. Carapol. „Das kann alles Mögliche bedeuten, vielleicht auch gar nichts."
„Vielleicht war das nur ein Begrüßungsspruch", sagte Marc, „ein seltsamer Aphorismus, was auch immer, und nicht mal auf uns gemünzt."
„Natürlich wäre das möglich", gab Bull zu, „doch die Formulierung ähnelt frappant den kryptischen Botschaften, die ES damals, während der Zeit des Galaktischen Rätsels, unter anderem im Wega-System hinterlassen hatte, um das Geheimnis der Unsterblichkeit gleichzeitig anzubieten und zu sichern."
Und er sprach es nicht aus, doch er fühlte sich darüber hinaus an seinen geträumten Ausflug nach Wanderer erinnert – der ihn in eine Epoche geführt hatte, die ebenfalls zum Galaktischen Rätsel gehörte.
Geschieht das alles gezielt, mit voller Absicht?, fragte er sich. Doch konnte man überhaupt daran zweifeln?
Er lauschte und wartete, aber die Botschaft wurde nicht wiederholt, und es folgte auch keine andere.
Vorsichtig ging Bull weiter. Die Situation kam ihm immer unwirklicher vor.
Einerseits hatte er den Eindruck, eine neue Welt zu betreten, andererseits glaubte er, erst jetzt die eigentliche Perlweiß-Stadt erreicht zu haben.
Niemand hielt sie auf, niemand stellte sich ihnen entgegen. Nichts deutete darauf hin, dass sie sich etwa unberechtigt hier aufhielten.
Als Bull nach 20, 30 Schritten zur Seite schaute, erblickte er die ersten Bewohner.
Sie bevölkerten eine wunderbare, lichte Anlage aus Atrien, Gärten und Wandelgängen, absolut gelassene, ja fast schon gleichgültig wirkende Wesen unterschiedlichen Aussehens. Bull sah Katzenartige, die ihn an eine Mischung aus Kartanin und Gurrads erinnerten, Schneckenähnliche, deren Körper feucht schimmerten, engelhafte Humanoide mit fast transparenter Haut, stark behaarte Zweibeiner mit reptiloidem Körperbau, vierarmige Vögel mit dünnen, knöchernen Beinen ...
Er hatte das Gefühl, er müsse nur durch einen der Bögen treten, die den Arkadengang bildeten, und wäre bei ihnen. Doch würde die Stadt ihm so einfach Zutritt gewähren? Nach allem, was er in den fünf geheimnisvollen Anlagen erlebt hatte, bezweifelte er es.
Doch gab es eine Alternative? Kurz entschlossen schlug sich Bull zur Seite.
Er wusste nicht genau, was er erwartet hatte, doch es blieb aus. Er tat einen Schritt und stand in einem Garten.
Mehrere Wesen drehten sich zu ihm um, doch die meisten verloren schon nach wenigen Sekunden das Interesse an ihm und widmeten sich wieder dem, was sie zuvor getan hatten. Nur zwei, drei hielten den Blick auf ihn gerichtet.
Eins sagte etwas. Bull verstand es nicht und aktivierte an seinem Multifunktionsarmband die Basissprachen-Datenbank des Translators. „Sprecht weiter!", bat er. „Versteht ihr mich?"
Einer der Feliden drehte gelangweilt den Kopf zu ihm und sagte etwas. Mitten im Satz wurden die Worte verständlich. „... eine Unterkunft in der Stadt suchen und mit uns leben."
Offensichtlich verfügten die Stadtbewohner über Translatoren von ausgezeichneter Leistung. Die man an diesem Ort angesichts all der verschiedenartigen Wesen auch benötigt, dachte Bull. „Ich habe den ersten Teil deines Satzes nicht verstanden. Würdest du ihn bitte wiederholen?"
Doch der Katzenartige hatte sich schon wieder abgewandt und widmete seine gesamte Aufmerksamkeit einem kleinen Gerät, dessen Knöpfe er mit seinen schlanken Fingern drückte. Was genau er da tat, konnte Bull nicht sagen.
„Ich würde euch gern einige Fragen stellen!", rief er. „Falls ihr mich
Weitere Kostenlose Bücher