2441 - Die letzten vierzig
beendete seinen Report damit, dass seiner Meinung nach nichts dagegen sprach, die vierzig letzten Angehörigen der einzigartigen, genetisch veränderten, umweltangepassten Attavennok-Volksgruppe von Drillock auf dem Raumhafen von Tablo Guz landen zu lassen: „Nichts, außer dem reichlich lädierten Zustand ihrer Schaluppe. Aber wenn sie damit einen Krater ins Flugfeld schlagen, haben wir wenigstens einmal was zu lachen, hehe!"
„Gemeiner Schuft!", schimpfte Spaubul, empört raschelnd.
Die Bürgermeisterin schenkte ihm kaum Beachtung. Davam-Düür hatte etwas anderes aufgerüttelt, nachgerade elektrisiert. Und sie war ganz sicher, sich nicht verhört zu haben.
Die Wörter waren genau so gefallen.
Bloß ergaben sie für eine Attavenno, die als Jugendliche einen längeren Studienurlaub auf Drillock verbracht hatte, keinen Sinn.
Einzigartige Volksgruppe? Umweltangepasst? Genetisch verändert?
4.
Dreihundert Fragen
Am 26. September 1346 NGZ fand die mit höchster Wahrscheinlichkeit größte Party statt, die je an Bord der SOL gefeiert wurde.
Und das wollte etwas heißen: In der langen Geschichte des Generationenraumers war schon manches Ereignis festlich und mit Gepränge begangen worden.
Aber fast 200.000 Personen hatten sich wohl noch nie an ein und demselben Ort innerhalb des Schiffs versammelt. Die Erholungslandschaft der SZ-2, von Porto Deangelis und seinen Logistikern mit erstaunlich wenig Aufwand an Zeit und Materialbewegungen zu einem natürlichen Amphitheater umgestaltet, wimmelte von überbordender Lebensfreude.
Den Löwenanteil daran hatten die Mom’Serimer. Deren Kopftentakel hielten keine Sekunde still. Blickte man von der Tribüne aus über die wuselnde Menge, drängte sich der Eindruck auf, vor einem sanft ansteigenden Berghang zu stehen, der mit hellrosa, unablässig wogenden Grashalmen bewachsen war.
Auch im Mittelpunkt der Ehrungen standen Mom’Serimer. Zuerst wurde der 96 Mitglieder der „Armee der NACHT" gedacht, die im Kampf gegen die Mor’Daer und Kolonnen-Motivatoren, für die Freiheit der SOL und ihrer Bewohner das Leben gelassen hatten.
Bedeutend weniger als ursprünglich befürchtet; dennoch jeder Einzelne einer zu viel.
Ronald Tekener hielt eine kurze, in ungekünstelten, sehr persönlichen Worten gehaltene Ansprache. An deren Ende präsentierte er eine Terkonit-Tafel mit den eingravierten Namen der 96 Gefallenen.
„Sie wird noch heute an einer gut sichtbaren Stelle in der Hauptleitzentrale montiert", sagte er, „zum ewigen Angedenken." Er schmunzelte. „Oder zumindest, solange unsere SOL durch die Weiten des Weltalls fliegt."
Nachdem der tosende Applaus verklungen war, bat Tekener den Direktor der SOL-Nachwuchsakademie sowie Lord Remo Aratoster zu sich. Zusammen überreichten sie dem jüngsten der Schattenkämpfer, stellvertretend für alle achttausend, eine Belobigungsurkunde sowie einen Anstecker in Form des Hantelschiffs.
Der kleine, selbst für einen noch nicht ganz ausgewachsenen Mom’Serimer schmächtige Kerl platzte fast vor Stolz.
Spontan ging Tekener neben ihm in die Hocke. „Wie ist dein Name?", fragte er.
Dahinter vollführten sowohl Steph La Nievand als auch Remo Aratoster plötzlich heftige, abwinkende, warnende Armbewegungen. Aber es war bereits zu spät.
„Ich heiße Trest Harkanvolter, bin ein Urururururenkel des legendären Lord-Eunuchen Crom Harkanvolter, ein geborener Held und der erste Mutant, den unser Volk hervorgebracht hat. Beziehungsweise demnächst hervorgebracht haben wird. Oder so. Na ja, sobald meine Psi-Begabung zum Ausbruch gekommen ist, halt. Jedenfalls danke für den Wisch und die Anstecknadel, doch ehrlich gesagt wäre mir lieber, ich würde gleich zum Leutnant befördert. Geht das?"
*
Nach dem offiziellen Teil folgten Musikdarbietungen durchaus unterschiedlicher Qualität von Mom’Serimern und anderen Besatzungsmitgliedern. Die Moderation übernahm Vesper Nightingale, die Xenobiologin und Botanikerin, die unter dem Pseudonym „Nachtschwalbe" auch den Bordsender SOLtv betreute.
Während des Konzerts wurden überall im Zuschauerraum selbst mitgebrachte Delikatessen ausgetauscht. Ein voll bestücktes Buffet für alle knapp 200.000 Anwesenden aufzubauen hätte sogar Porto Deangelis und SENECA an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht.
Möglich wäre es, unter Einsatz sämtlicher Ressourcen, schon gewesen; jedoch unverantwortlich. Denn das Schiff befand sich nach wie vor in einem Umfeld, wie es
Weitere Kostenlose Bücher