2478 - LICHT VON AHN
stand keine zehn Meter von einem Ozean aus Magma entfernt, über den hin und wieder glutflüssige, dampfende Wellen trieben, doch sie fühlte nicht die geringste Hitze. Stattdessen wehte ein laues Lüftchen, angenehm kühl und unendlich wohltuend.
Es war das erste Mal seit jenem Aufbruch zur Finalen Schlacht, dass sie auf einer bewohnbaren Welt stand – falls ihre Umgebung überhaupt eine bewohnbare Welt war. Diese Enklave der Natur musste mit den Möglichkeiten einer Superintelligenz der mehr als unwirtlichen Umgebung abgetrotzt worden sein und stellte etwas grundlegend Künstliches dar.
Das Phänomen, von dem Lhea gesprochen hatte, war unübersehbar: Die aus der Luft gesehen winzige blühende Insel maß viele Quadratkilometer. War sie in einen übergeordneten Raum hinein errichtet worden? Oder stellte alles nur eine Illusion dar?
Wie dem auch sei, Kamuko fühlte sich wohler als je zuvor, seit sie in den Krieg gegen die Negasphäre Tare-Scharm gezogen worden war.
Die Insel im Magma-Meer bildete einen Ort der Ruhe. Erst in diesen Augenblicken lösten sich die letzten Erinnerungen an das Chaos und das Vibra-Psi in der Negasphäre aus der Generalin, und tiefer Frieden erfüllte sie.
„Geh bitte weiter", forderte der Enthone, der sie am Transmitter empfangen hatte und seitdem begleitete. Er überragte sie knapp und war noch dürrer, als es auf dem Holo gewirkt hatte.
Seine Augen bildeten große schwarze Teiche in dem Gesicht von alabasterner Bleiche. Jede seiner Bewegungen strahlte eine Würde aus, der sich Kamuko nicht entziehen konnte; jeder Zentimeter des eigentlich ausgemergelten Leibes zeugte von schierer Eleganz.
Er sprach wohlklingendes Thonisch.
Der Name seines Volkes legte nahe, dass es sich um dessen ursprüngliche Sprache handelte und von den Sinlasa als Verkehrssprache übernommen worden war. Das Thonische klang, von einem Enthonen gesprochen, als schmiege es sich ganz natürlich in dessen schmalen Mund, und verströmte eine geheimnisvolle Kraft.
Die Sonne stand als gewaltiger Glutball am Himmel, so nah, wie Kamuko es auf keinem Planeten gesehen hatte. Obwohl der Himmel wolkenlos war, lag die gesamte Insel unter einem wohltuenden Schatten.
Kamuko setzte sich wieder in Bewegung. „Wo führst du mich hin? Du hast bislang kein Wort über unser Ziel verloren."
„Der Vulkankrater liegt am anderen Ende der Insel des LICHTS. Dort wartet die Superintelligenz auf dich." Der Enthone hob die schmalen Arme und streckte die knochigen Hände in Kamukos Richtung. „Darf ich?"
Kamuko zweifelte keine Sekunde, worauf diese Frage abzielte. Er wollte die Nachtlicht-Rüstung berühren. Die Aeganerin wollte es ihm instinktiv verwehren ...
Sie gehört mir! Mir allein!
... doch sie schob diesen Impuls beiseite und erlaubte es.
Die weißen Finger kontrastierten mit dem dunklen Metall. Die Berührung war wie ein Hauch, und Kamuko glaubte, das ehrfurchtsvolle Erschauern des Enthonen tief in ihrem Geist zu spüren.
„Was hat es mit dem Krater auf sich?", fragte sie.
Der Mund ihres Gegenübers stand sekundenlang halb offen, die Zungenspitze zitterte dicht hinter den Zähnen. Der Enthone bückte sich, als wolle er sich verneigen, das tiefschwarze Haar fiel von den Seiten her ins Gesicht. Mit einem Ächzen löste er die Finger von der Rüstung, trat einen Schritt zurück und atmete tief durch. „Das wirst du bald sehen."
„Wie weit ist es noch?"
„Schau hin."
Kamuko folgte der ausgestreckten Hand und erschrak. Ein gewaltiger Vulkankegel ragte in wenigen hundert Metern Entfernung auf. Auf einer Seite ragte der Abhang in das ewig glühende und brodelnde Meer.
Wie konnte es sein, dass sie dieses gewaltige Gebilde zuvor nicht bemerkt hatte? Seit Beginn ihrer Unterhaltung hatten sie kaum einige Meter zurückgelegt.
„Meine Aufgabe ist erfüllt", sagte ihr Führer. „Nun geh den Vulkan hinauf bis zur Krateröffnung. Das LICHT VON AHN erwartet dich."
„Aber ich habe noch viele Fragen."
„Wir Enthonen sind nur die Hüter, und ich bin der Geringste von allen. Sieh in das Antlitz der Superintelligenz, und all deine Fragen werden beantwortet."
„Das ist nicht das, was mir angekündigt wurde. Lhea sagte, ihr Enthonen würdet ..."
„Ich mag nur der geringste der Hüter sein, aber ich bin mehr, als ein Sinlasa je sein kann", unterbrach sie der Enthone.
„Dennoch zählt nicht, welche Fragen wir uns stellen oder was wir leisten, sondern nur, wer wir sind. Nun geh, Kamuko, die du ein Utensil der Hohen Mächte
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