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248 - Entfesselte Gewalten

248 - Entfesselte Gewalten

Titel: 248 - Entfesselte Gewalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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über den Wald. »Wir müssen so schnell wie möglich nach Wimereux!«
    ***
    Im Wald bei der Wolkenstadt
    Elloa kämpfte den Drang nieder, die Klinge nach Babagaya zu schleudern. Die lebte noch. Und sie höhnte noch. »Nicht die Macht der Liebe wird dich nun einwickeln und verschlingen, sondern dieser schleimige, stinkende Pilz«, sagte sie.
    Babagayas feixende Miene war zu einer Grimasse verzerrt. Die Erste Frau des kaiserlichen Harems hatte aufgehört zu kämpfen. Pilztentakel fesselten ihr Arme und Beine an den Körper, Pilzfäden wuchsen über Brust und Hals und ihrem Mund hinauf. Sie hatte sich mit ihrem Schicksal abgefunden.
    »Bald wird dir dein Giftmaul für immer gestopft werden!«, zischte Elloa. Statt die Klinge nach der Rivalin zu schleudern, ging sie in die Hocke und hieb mit dem Dolch nach den Fäden, die ihre Knöchel festhielten. Das grauweiße, Fäden ziehende Pilzfleisch fiel von ihr ab. Sie sah sich um, entdeckte keine Lücke in dem von allen Seiten heranwuchernden Organismus und kletterte auf ein großes Trümmerteil, das von der Stadt bis hierher geschleudert worden war. Dort wähnte sie sich sicher.
    Zwei Meter unter ihr hob Babagaya den Kopf und spuckte nach ihr. »Diese Masse wird dich verschlingen, wohin du auch fliehst! Und bald wirst du aussehen wie das, was du jetzt schon bist: wie eine ausgekotz…« Ein Gurgeln erstickte Babagayas zischende Stimme – ein starker Tentakel hatte sich um ihren Hals geschlungen und schnürte ihr die Luft ab.
    »Schon möglich…« Elloa gab sich Mühe, das Zittern ihrer Stimme zu unterdrücken. »Aber vorher komme ich in den Genuss, dich verrecken zu sehen, weißt du…?« Sie hatte Angst – unglaubliche Angst –, doch es gelang ihr nach außen hin die Kühle zu mimen. Sie setzte sich, zog die Beine an und umschlang die Knie mit den Armen. Um das große Trümmerteil herum bildete sich ein kleiner Ring aus Pilzgewebe, fuhr jedoch keine Tentakel und Fäden mehr aus, was Elloa verwunderte.
    »Weißt du eigentlich, wie hässlich du geworden bist?« Jetzt war sie es, die grinste. »Der Kaiser ekelte sich vor dir.« Babagaya stierte sie aus hasserfüllten Augen an. Antworten konnte sie nicht mehr. »Du seist fett geworden, sagte er. Und du hättest Orangenhaut am Arsch. Stimmt das?« Babagaya würgte und röchelte. Ihr Körper zuckte unter der Pilzmasse.
    Von der schönen Naakiti sah Elloa nur noch das Gesicht und einen Fuß. Die toten Augen waren ihr weit aus den Höhlen getreten, blutiger Schaum bedeckte ihre schwarzen Lippen. Die fremdartige, grauweiße Masse hatte den schönen Frauenkörper, den der Kaiser noch vor kurzem so heiß begehrt hatte, vollständig überwuchert. Das zuckende Pilzfleisch auf ihr warf Blasen, stülpte Auswüchse aus, zog sich zusammen, und es sah aus, als würde es Naakiti Stück für Stück zerkleinern und verschlingen. Elloa sah es mit einem gewissen Vergnügen, kämpfte aber dennoch mit einem Brechreiz.
    Babagaya lebte immer noch. Sie bog den Kopf weit in den Nacken, riss den Mund auf und schnappte nach Luft – vergeblich: Der Pilztentakel um ihren Hals schürte noch tiefer in ihr Fleisch ein. Wieder und wieder bäumte sie sich auf, um Luft zu holen. Dabei streckte sie ihre schon schwarz-violett angelaufene Zunge heraus, und ihre Augen wurden groß wie Wakudaaugen.
    Elloa beobachtete den Todeskampf der Rivalin mit einer Mischung aus Freude und Grausen. Als er endlich vorbei war und die Sterbende endgültig erschlaffte, empfand sie eine gewisse Enttäuschung darüber, dass sich das erhoffte Triumphgefühl nicht recht einstellen wollte.
    Sie spuckte nach der Toten und stieß einen Fluch aus. Danach fasste sie den niedrigen Pilzwall ins Auge, der rund um das Trümmerteil wucherte, auf das sie sich gerettet hatte. Er war nicht wesentlich gewachsen, bildete noch immer keine Tentakel aus, nicht einmal Fäden.
    Elloa begriff nicht, dass der gefräßige Organismus sie verschonte. Es war ein Wunder, dass er sie nicht einfach von ihrem erhöhten Sitz herunterzerrte, dass sie überhaupt noch lebte. War es nicht eine göttliche Fügung? Was mochten die Götter vorhaben mit ihr? Plötzlich kam ihr der Gedanke, dass ein Plan dahinter stecken könnte, eine Art höherer Wille. Sie erschrak und blickte sich um.
    Menschen riefen und schrien in der abgestürzten Wolkenstadt. Hin und wieder sah Elloa im Mondlicht dunkle Umrisse zwischen den Trümmern hin und her laufen. Und da – ein Luftschiff stieg über den Ruinen auf!
    Ein Ast brach nicht weit

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