2482 - Der ewige Kerker
werden wir in Modus K versetzt."
„Dein Erwachen zeigt, dass die Wiederkunft des Herrn bevorsteht."
„Anmutige Inkadye, entzückende Inkadye ..."
Alle plärrten auf sie ein, in wüstem Durcheinander, überschwemmten sie mit Zuneigungen, überforderten sie mit Begriffen, deren Sinn sie nicht verstand. Der Schädel drohte ihr zu platzen. Sie musste dem Chaos Einhalt gebieten.
„Hört auf! Ruhe!"
Was sie nicht für möglich gehalten hatte, trat ein. Von einem Moment zum anderen erstarb das Geschrei.
Inkadye hätte nicht zu sagen vermocht, was sie mehr schockierte: die plötzliche Stille oder die Erkenntnis, dass Hunderte Exemplare unterschiedlichster Lebensformen ihr aufs Wort gehorchten. Als hätte jemand einen Zentralschalter umgelegt, hielten sie inne, verharrten schweigend und reglos. Nicht einmal Atmen war zu hören.
„Mich dürstet", wisperte Inkadye.
„Auch habe ich großen Hunger. Gebt mir zu essen und zu trinken, bitte."
Aus der Menge löste sich eine rundliche Gestalt, deren Kopf nur aus schwarzen, ölig glänzenden Schnurrbarthaaren und einem anzüglichen Grinsen zu bestehen schien. „Falls du dich nicht an mich erinnern solltest – ich bin Lajo Ferhan, der Küchenchef mit den sieben Sonnen. Ein Mahl für dich ist vorbereitet. Folge mir, o Herrliche!"
Er geleitete sie zu einem Buffet, das von Köstlichkeiten überquoll. Vielarmige Gehilfen reckten ihr Tabletts voller Gläser entgegen. „Klares Wasser", bat sie.
„Wir führen 287 Tafelwässer von ebenso vielen Planeten. Welches möchtest du, Inkadye? Such dir eins aus!"
„Irgendeines ... das mein Metabolismus verträgt."
„Alles hier ist auf deine Bedürfnisse zugeschnitten", sagte der Chefkoch, fast ein wenig beleidigt klingend.
Enerviert ergriff sie das nächstbeste Glas und leerte es auf einen Zug.
„Sehr gute Wahl, Inkadye. – Was wünschst du zu speisen?"
Der Trunk belebte sie augenblicklich. „Stell du mir etwas zusammen."
Nun strahlte Lajo Ferhan. Er klatschte in die fett glänzenden Tentakel. „Das große Degustationsmenü!
Macht schon, marsch, marsch! – Wir beginnen mit einem Gruß aus der Küche ..."
*
Nachdem sie sich gestärkt hatte, verspürte Inkadye umso größeren Hunger nach Antworten.
Da sie vermeiden wollte, dass wieder alle gleichzeitig losplärrten, sagte sie: „Ich hätte gerne, dass mich jemand herumführt."
„Dazu ist wohl keiner berufener als ich." Ein Raupenwesen drängte die Umstehenden beiseite und richtete affektiert sein Vorderteil auf.
Es bestand aus einer dicken schwarzen Röhre, deren Haut wie aus filziger Wolle gestrickt wirkte, und einer weichen Mütze, ebenfalls schwarz, worunter eine hölzerne Pfeife hervorragte.
Bläuliche, übel riechende Wölkchen begleiteten jedes Wort.
„Volfdeprix", stellte es sich vor. „Der Architekt, der Koltogor für dich renoviert hat; dieses Mal – ohne mich selbst über Gebühr loben zu wollen – vollkommener denn je."
Der Wurmartige fuchtelte mit im Verhältnis zum feisten Leib spindeldürren Gliedmaßen. „Was möchtest du zuerst besuchen? Den Filmkristallpalast, die Wohnmaschinen, das Museum am Zusammenfluss, die Schauwelt der Bäuerlichen Motor-Werker ...?"
„Bestimme du eine Route." Die Qual der Wahl zu delegieren, hatte sich beim Koch bewährt.
Auch der Architekt reagierte darauf geschmeichelt. Eine weitere Gemeinsamkeit war, dass sich Volfdeprix ebenso begeistert selber reden hörte. „In dieser Ära hat das Himmelblaue Kooperativ den Dekonstruktivismus endgültig überwunden. Manchen Kritikern schmeckt das nicht, sie monieren, wir hätten die spontane Kreativität der wilden Jahrtausende eingebüßt. Doch unter uns, ich lese ihre holprigen Pamphlete längst nicht mehr. Beachte bitte hier oben ..."
So prächtig die Bauwerke sein mochten, die er ihr im Verlauf der Führung präsentierte, Inkadye lauschte dem Geschwafel nur mit halbem Ohr. Sie begnügte sich damit, Laute der Anerkennung von sich zu geben, und zwischendurch wie nebenbei diejenigen Fragen zu stellen, die ihr wirklich am Herzen lagen.
Auf diese Weise sammelte sie Informationen, gemächlich genug, dass sie die einzelnen Mosaiksteinchen zu einem Ganzen ordnen konnte. Koltogor war eine fliegende Stadt im Weltraum, viele Kilometer durchmessend, geradezu berstend vor wertvoller, unsterblicher Kultur, ein wahres Füllhorn der Künste. Sämtliche Bewohner trugen ihr jeweiliges Schärflein dazu bei, als Poeten, Komponisten, Regisseure, Designer; mit Geschick,
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