2487 - Die String Legaten
Mehr konnte ESCHER nicht tun.
Auch den Nukleus fühlte der Prozessor Laurence Savoire. Einst hatte dieser einen Teil seiner selbst gegeben und damit die Parapositronik ESCHER in ihrer gegenwärtigen Ausprägung überhaupt erst geboren. Seine psionische Energie hatte aus dem stockenden kybernetischen Experiment mitten in Terrania etwas völlig Neues gemacht und eine neue Art der Existenz geschaffen, eine kollektive Hyperdim-Matrix voller Leben.
Savoire erkannte tausend weitere Dinge und wusste auch, dass die String-Legaten schneller als erwartet TRAICOON 06-202a erreichten. In diesem Augenblick waren sie nur wenige hundert Meter vom Hangar des Weltweisen entfernt.
Doch welche Rolle spielte es angesichts der unendlichen Weite, der grandiosen Vielfalt der Matrix, die sein Geist kaum zu erfassen vermochte?
Als mobiles Element durchstreifte Savoire in irrwitzigem Tempo das Innere der Welt aus Information und Licht. Im Nu erkannte er die Komplexität dieses Seins und brachte sein Wissen über seinen Aufenthalt im Elementar-Quintadimtrafer ein.
Die T-Prognostiker erschauerten, ihre Fäden wirbelten und pulsierten in strahlendem Licht, heller als die Geburt eines Sterns.
Savoire dockte an den Fäden an, trieb weiter, schlug Brücken, und jede Sekunde war intensiver als sonst Tage und Wochen. Die Beschwerlichkeit seines bisherigen Lebens fiel von ihm ab. Berauschende Freude über die Leistungskraft seines Bewusstseins erfüllte ihn.
Er vereinte sich mit den Gedanken von Pal Astuin und Merlin Myhr. Zum ersten Mal verstand er die Avatare ESCHERS bis ins Letzte, wusste, warum sie gehandelt hatten, wie sie gehandelt hatten. Selbst dass sie ihn damals hatten erblinden lassen, verzieh er ihnen aus dem tiefsten Grund seiner Seele heraus, und zum ersten Mal fand Savoire völligen Frieden.
Er vereinte sich mit den T-Prognostikern und begriff, warum sie ihre körperliche Beschränkung freiwillig aufgegeben hatten und zu Cyborgs geworden waren.
Wilbuntir Gilead empfing ihn. Ihre Freundschaft war intensiver als je zuvor; in einer Sekunde teilten sie mehr als in all den Jahren auf Terra. Sybel Bytter trieb als reines Bewusstsein um ihn und in ihm.
Das also war es, wonach er sich gesehnt hatte. Das hatte ESCHER ihm die ganze Zeit über vorenthalten - selbst bei seinem kurzen Besuch in der Zeit seiner Erblindung hatte er nur einen Teil der Herrlichkeit geschmeckt.
Selbst wenn er das Gefühl nur für kurze Zeit kosten würde, bis zu ESCHERS Ende - diese Augenblicke waren all die Mühe wert.
*
Auch für sein überaus exaktes Zeitempfinden als Prozessor geschahen zwei Dinge gleichzeitig.
ESCHER nahm die Manipulation vor, die er all die Zeit vorbereitet hatte. Die Mission war erfüllt.
Allerdings standen plötzlich die String-Legaten vor der Weltkugel des Weltweisen. Mit ihnen kam eine Hundertschaft von Soldaten.
Wissen strömte in Savoire ein, das die Sensoren in ESCHERS Hardware übermittelten. Der Boden rüttelte und bebte, in der Kommunikationskammer zerbrach das Pult unter einem gewaltigen Stoß, der die Erde aufreißen und zerplatzen ließ.
Trümmer zerfetzten die Außenwand des Versorgertrakts und droschen in die Reihen der Soldaten. Zehn von ihnen starben mit abgetrennten Gliedern, und das, noch ehe sie einen einzigen Schuss abgefeuert hatten.
Ein bemerkenswerter Zufall, beschieden die Prozessoren. Bedeutungslos, aber geradezu so, als habe eine höhere Schicksalsmacht es gelenkt. Die Zerstörungen rührten nicht etwa vom Angriff auf ESCHER her, sondern sie ereigneten sich überall in GLOIN TRAITOR.
Der Elementar-Quintadimtrafer spielte verrückt.
Myriaden von Messwerten strömten in die Hyperdim-Matrix. Die hyperphysikalischen, höherdimensionalen Komponenten benötigten eine Auslegung, für die die Zeit fehlte. Was genau mit dem Trafer geschah, würde keiner der Prozessoren je erfahren.
Die Daten aus GLOIN TRAITOR jedoch waren eindeutig. Zwar gab es Zerstörungen, doch sie waren marginal und forderten nur wenige Todesopfer. Der Nadel des Chaos selbst wurde kein nennenswerter Schaden zugefügt. Dennoch brach Chaos an tausend Orten aus.
Es gab keinen Grund mehr für die Parapositronik, aus dem Verborgenen heraus zu handeln. Eine Sekunde nachdem die String-Legaten materialisiert waren - mehrere tausend Rechenoperationen und Gedanken für die Prozessoren -, ließ ESCHER jede Vorsicht fallen. Er aktivierte sämtliche Befehlsstellen und schickte Instruktionen an alle supratronischen Knotenrechner, die unter seiner
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