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2488 - Hinter dem Kernwall

2488 - Hinter dem Kernwall

Titel: 2488 - Hinter dem Kernwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Sein Herzschlag beschleunigte sich. Warum hatte NEMO nicht rechtzeitig reagiert und ihm von dieser Begegnung berichtet?
    »... ich muss gestehen, dass ein Teil meiner Logik-Routinen ... nachjustiert werden müssen. Ich habe Interpretationsschwierigkeiten. Dies betrifft nicht den Bordbetrieb, aber ... «
    Interpretationsschwierigkeiten! Das Bordgehirn hatte Dao-Lin-H'ays Bericht über ihr Vordringen in den Kontaktwald 126 und ihre Begegnung mit den riesigen Insektoiden, die zu KOLTOROCS engsten Mitarbeitern gehörten, nicht mit den Geschehnissen an Bord der JULES VERNE in Zusammenhang gebracht?
    »Notalarm!«, sagte Rhodan. Jetzt musste alles schnell gehen. Hastig zog er sich die bereitliegende Kleidung über.
    Aus den Augenwinkeln sah er, dass Mondra fast so schnell wie er reagierte. »Fluchtvorbereitungen initiieren. Wir verschwinden von hier. Ich benötige Bildverbindungen zu allen Schiffskommandanten. Wir müssen unser Vorgehen koordinieren.«
    Die Pläne standen längst, Rhodans Führungsstab war auf derartige Situationen vorbereitet. Nur noch die Feinjustierungen mussten vorgenommen werden, und manche Details wollte er von Angesicht zu Angesicht klären. Was, wenn NEMO und die anderen Schiffsgehirne auch mit den Manövern nicht klarkamen und weitere »Interpretationsfehler« passierten?
    Er stürmte aus der Kabine, ohne auf Mondra zu warten. Jede Sekunde zählte.
    Wenn die String-Legaten sie entdeckt hatten, wusste auch KOLTO-ROC über ihren Standort Bescheid. Jederzeit konnte eine Traitank-Flotte aus dem Hyperraum fallen und in den Ortungsschatten von Rendezvous Alpha vordringen.
    TRAITOR würde sie nicht unterschätzen; diesmal nicht.
    Zehntausend oder mehr Schiffseinheiten würden gegen CHEOS-TAI anbranden, dem Koloss kleine und größere Wunden zufügen, den GESETZ-Geber so lange unter Feuer nehmen, bis selbst er unterlag.
    Die Befehlshaber der Terminalen Kolonne würden auch nicht davor zurückscheuen, die Riesensonne von Rendezvous-Alpha zur Explosion zu bringen und vernichtende Hyperwellen-Stoßfronten auszulösen. Klotzen, nicht kleckern, so hieß die Devise TRAITORS.
    Mannschaftsmitglieder huschten an Rhodan vorbei, eilten auf ihre Stationen. Sie wirkten schläfrig und überfordert. Das Vibra-Psi zehrte an ihnen. Zur Zentrale hin wurde der Personenverkehr geringer. Hierher wurde nicht jedermann vorgelassen. Er bog um die letzte Ecke, sah bereits die wenigen Stufen, die hinab in das Rund des Schiffsheiligsten führten ...
    ... als er sich unvermittelt seinem Spiegelbild gegenübersah.
    *
     
    Ein Spiegel. Oval war er, fünf Meter hoch, zwei Meter breit. Er versperrte den Gang. Er zeigte Rhodan ein Konterfei, das auf seltsame Weise eindringlicher als er selbst wirkte.
    Diese unglaubliche Tiefe ... Der Unsterbliche fühlte sich hingezogen. Hinabgezogen. Hineingezogen. Er sah sich selbst, wie er nicht war, niemals sein durfte. Schwach, kraftlos, gezeichnet, geschlagen. Da war nichts mehr von Ruhe und Kraft zu sehen. Nur noch ein leeres, sinnentleertes Antlitz. Der Körper wirkte schwächlich, die Schultern waren nach vorne gefallen.
    Der Unsterbliche fühlte, wie die Schwäche im Spiegel zu seiner eigenen wurde. Eine Wechselwirkung entstand. Das Bild, in dem er sich mehr und mehr verlor, sog an ihm. Die Impulse des Zellaktivators waren nur noch ein fernes Rauschen.
    Hinter dem Bild war Mondra Diamond zu erkennen, die auf ihn zulief, in Zeitlupentempo. Ihr Mund war weit aufgerissen, so als schreie sie.
    Rhodan konnte nichts hören, nichts spüren. Er stand einem Spiegelbild gegenüber, das jünger zu werden schien, während er selbst immer mehr schwächelte. »Das Bildnis des Dorian Gray« von Oscar Wilde kam ihm in den Sinn. Die Geschichte, älter als er selbst, erzählte vom Leben eines zügellosen Dandys, der es geschafft hatte, ein Bildnis statt seiner selbst altern zu lassen. So oder ähnlich geschah es hier - mit umgekehrten Vorzeichen.
    Die Ahnung, KOLTOROC niemals beikommen zu können, schlich sich in seine Gedanken. Was bildete er sich ein? Wer war er, dass er einer derart mächtigen Superintelligenz Widerstand leistete? Die Botschaft kroch in seinen Kopf, wie von tausend kleinen Würmern getragen, legte sich in den Gehirnwindungen ab.
    Rhodan schüttelte unwillig den Kopf, das Spiegelbild reagierte mit seltsamer Verzögerung. Der String-Legat arbeitete mit einer subtilen Art der Beeinflussung, die so schwach begann, dass man sie anfänglich kaum wahrnahm, um dann allmählich stärker zu werden. Er

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