2489 - Schach dem Chaos
tastete sie über Wände und Böden, machte sich mit den Verhältnissen vertraut.
»Willkommen an Bord«, empfing sie eine groß gewachsene Terranerin mit kühler, reservierter Stimme. »Ich bin Cora Landesmann. Hyperphysikerin mit Schwerpunkt Hyperphysikalische Feldartenforschung, derzeit in der Kommandozentrale der SZ-1 als Dritte Chefwissenschaftlerin tätig und Leiterin von Schicht drei. Man hat mich dir als Verbindungsoffizierin zugeteilt.«
Offizierin! Wie sie das Wort hasste. Es stank nach Regeln und Regulierungen, nach Hackordnungen und System.
»Freut mich, dich kennenzulernen, Cora.« Sie hoffte, dass ihre Worte glaubwürdig erschienen. Die Sepulchthidin in ihr entwickelte unangenehme Eigenschaften. Unter anderem wirkten sie auf die meisten Völker als schleimig und falsch.
»Ich darf dich in die Zentrale bitten?«, fragte Cora reserviert. »Dao möchte dich kennenlernen.«
»Gerne.« Ejdu Melia ließ sich zu Boden fallen. Das Kriechen und Winden schenkte ihr Erleichterung. Allmählich verlor sie ihr Gleichgewichtsgefühl, und immer öfter ertappte sie sich dabei, die Perspektive Aufrechtgehender als »falsch« zu empfinden.
Sie roch und fühlte und spürte sie um sich. Nicht alles, was sie entdeckte, be-hagte ihr. Hier war viel Blut vergossen worden, und sie meinte, mehr Trauer und Wut als Glück zu erfassen. Der Raumer repräsentierte in der Tat ein Stück terra-nischer Geschichte. Dieses Volk schien alles Pech des Universums anzuziehen.
Sie bemerkte, dass Cora Landesmann einen Umweg wählte. Sie umgingen die Zentrale weiträumig und bewegten sich entlang riesiger Aggregatkomplexe, eines Freizeitparks mit Hydropon-Anlagen, fanden sich auf einem riesigen Platz wieder, auf dem Besatzungsmitglieder in aller Ruhe miteinander plauderten.
Auch Mom'Serimer waren zu sehen; jene tapferen und kurzlebigen Wesen, die sich die SOL seit einiger Zeit mit den Menschen teilten.
»Du musst dich nicht weiter darum bemühen, Eindruck zu schinden«, sagte Ejdu Melia mit jener zischelnden Stimme, die sie an sich selbst hasste. »Ich habe genug gesehen, um zu wissen, was ich von
der SOL halte.«
»Und?« Die schlanke Frau blieb stehen. In ihren dunkelbraunen Augen glitzerte es.
»Das Schiff ist bemerkenswert. Man merkt, was in ihm steckt. Oder steckte.«
»Das hört sich sehr nüchtern an«, meinte Cora mit Enttäuschung in der Stimme. »Ich bin andere Reaktionen gewohnt.«
»Ich bin eine Sepulchthidin. Besser gesagt: Ich werde bald eine sein. Meine Gefühlswelt ist mit deiner nicht vergleichbar. Finde dich damit ab.« Ejdu Melia schnüffelte an den Beinen der Terranerin. Sie mochte die Frau nicht, und sie konnte nichts dagegen tun. Ihr neues Ich veränderte sie mehr, als sie es jemals für möglich gehalten hätte.
»Na schön.« Cora Landesmann bat sie mit einer Handbewegung, ihr weiter zu folgen. »Sehen wir zu, dass wir in die Zentrale gelangen.«
*
Dao-Lin-H'ay beäugte sie mit gehörigem Misstrauen, und vom ersten Augenblick an wusste Ejdu Melia, dass sie diese Frau liebte. Ihre Ausstrahlung schmeckte nach Macht, gebändigt in einem schmalen und sehnigen Körper.
»Du bist also unser Gast«, sagte die Kartanin. »Ich respektiere Rhodans Wunsch, dich mitzunehmen. Aber erwarte keine Sonderbehandlung.«
»Sicher.« Ejdus Augen brannten, ihre Sicht verschwamm. Sie wollte Dao-Lin-H'ay berühren, sie liebkosen ...
»Hast du vor, länger zu bleiben?«
»So lange, bis euer Auftrag erledigt ist.« Und sollten wir ihn überleben, fügte sie in Gedanken hinzu.
»Dann ist es gut.« Täuschte sich Ejdu, oder atmete die Kartanin erleichtert durch?
»Ihr seid zu liebenswürdig«, zischelte Ejdu Melia spöttisch. »Ich werde meinen Freunden nur Gutes über die Gastfreundschaft der Solaner zu berichten wissen.«
Ein groß gewachsener Terraner trat hinzu. Ein über ihrem Kopf aufleuchtendes Namensschild stellte ihn als Don Kerk'radian vor, den offiziellen Kommandanten der SOL-Zelle-1. Er wirkte blasiert, und er roch streng. »Ich habe dir einen Platz in meiner Nähe zugewiesen. Du bekommst alle Informationen aus erster Hand.«
Ejdu Melia unterdrückte ein Gewobble. »Welche ist die erste Hand?«, fragte sie.
»Das war sprichwörtlich gemeint«, antwortete Don Kerk'radian und runzelte eine ganze Menge Haut auf seiner Stirn. Er drehte sich um, winkte Ejdu, ihm zu folgen, und setzte sich dann auf einen leicht erhöhten Stuhl. Dao-Lin-H'ay nahm neben ihm Platz, in angenehmer Nähe zu der Friedensfahrerin, die sich
Weitere Kostenlose Bücher