2489 - Schach dem Chaos
wehrte - gesichtslose Zahlen wandelten sich in ihren Gedanken zu endlosen Reihen von Kartanin, die an ihr vorbeiflanierten und sehenden Auges über eine Klippe in einen dunklen Abgrund stürzten.
All die Toten, all die Einzelschicksale ... Träume von Glück und Hoffnung würden niemals zu Ende geträumt, Kinder niemals gezeugt, Häuser niemals gebaut und Leben niemals zu einem richtigen Ende gelebt werden. Eine ganze Generation ihres Volkes, die Besten der Besten, starben einen sinnlosen Tod an Bord der NK-Schiffe.
Und wofür?
Um der Terminalen Kolonne Verluste beizubringen, die von KOLTOROC und seinesgleichen wahrscheinlich nicht einmal registriert wurden?
»Du musst eine Entscheidung treffen, Log-Aer-M'in«, drängte Rot-Gre-N'at einmal mehr.
»Ich weiß!«, fauchte sie den Krüppel an.
Ein Wunder, dachte sie, wir benötigen ein Wunder.
Doch wenn sie all die mit Schmökern in den Klassikern strategischer Kampfkunst verbrachten Ruhephasen eines gelehrt hatten, dann war es die Einsicht, dass es keine Wunder gab. Glück musste man sich erarbeiten oder erzwingen.
»Also schön«, sagte sie mutlos, »wir ziehen uns zurück.«
Falsch:
Sie wollte es sagen.
Denn aus dem Nichts tauchte ein Kugelraumer auf, goldglänzend, raste durch die Reihen ihrer Feinde und landete en passant zwei Treffer.
Irgendwo mussten sich alle Götter des Universums versammelt und ihre Stoßgebete erhört haben.
*
Die Riesenkugel, bald als SZ-1 des in Hangay bekannten Hantelraumers SOL identifiziert, traf nicht nur mit unglaublicher Präzision. Sie brachte den Angehörigen der Ultima-Flotte Mut und Zuversicht zurück. Aus müden Vorwärtsbewegungen und schlecht koordinierten Salven wurde ein Feuerwerk der Präzision, dem die Gegner, völlig überrascht, nichts mehr entgegenzusetzen hatten.
Bald waren es nur noch zehn, dann sechs, schließlich zwei Traitanks. Die SZ-1 kam ein letztes Mal dahergehuscht, wählte einen Angriffskorridor, der sie möglichst dicht an ihre Feinde heranführte, setzte ein paar Schüsse ab - und dann war da nichts mehr.
Kein Gegner. Keine Not. Keine Angst. Nur noch Erleichterung.
Kartanin lagen sich in den Armen und rieben einander glückselig die Nasen. Selbst die drei Hauri, die derzeit in der Zentrale der UMAKO ihren Dienst versahen, wurden in die Feierstimmung mit einbezogen. Einer von ihnen zeigte sogar so etwas wie eine Gefühlsregung, die an Erleichterung gemahnte.
»Ruhe!«, befahl Log-Aer-M'in ihren Leuten nach einer Weile. »Rar-Rar-N'oda: Bring uns weg von hier. Synchronisation mit dem Rest der Flotte. Nehmt den Kugelraumer in den Verbund auf. Ausführung jetzt!«
Sie musste die Euphorie dämpfen, musste ihre Leute an die Gefahr erinnern, in der sie nach wie vor schwebten. Jederzeit konnten weitere feindliche Einheiten aus dem Hyperraum brechen.
Die Kartanin beruhigten sich rasch; so, wie sie es sich von einer Elitebesatzung erwartete. Nach nicht einmal einer Minute war der neue Beschleunigungskurs berechnet. Die ersten Schiffe setzten sich in Bewegung. Diesmal würden sie beisammenbleiben und jene Koordinaten ansteuern, die als Treffpunkt für alle Schiffe der Ultima-Flotte dienten.
»Die Kommandantin der SZ-1 will dich sprechen, ehrwürdige Log-Aer-M'in«, sagte die diensthabende Funkoffizierin.
»Nicht jetzt. Ich muss mich um die Schadenssichtungen kümmern. Sprich der Terranerin meinen Dank aus; wir würden uns freuen, wenn sie uns begleitete. - Halt, warte! Ich möchte doch mit ihr reden. Fluchtmanöver abbrechen, Datenaustausch ist untersagt.«
Ein tief verwurzeltes Misstrauen erwachte. Verfing sie sich soeben in einem abgefeimten Plan der Chaos-Mächte? Wollte man ihr bloß weismachen, dass sie einer SOL-Zelle begegnet waren? Hatten ihre Gegner 30 oder mehr Traitanks geopfert, um Log-Aer-M'in in diesem Glauben zu bestärken, damit sie den getarnten Feind zum Treffpunkt der Ultima-Flotte führte?
Nein, so kompliziert durfte sie nicht denken. Sie würde sonst in jener Paranoia untergehen, die ihr als Strategin und Taktikerin ohnehin ein treuer Begleiter war.
Die Funk- und Ortungsabteilungen der beiden so unterschiedlichen Schiffe erledigten die Synchronisationsarbeiten binnen weniger Sekunden. Eine Bildverbindung baute sich flackernd auf, um bald darauf stabil zu bleiben. Sie zeigte ein ihr unbekanntes Symbol, das allmählich in den Hintergrund wanderte. Die Kamera fokussierte auf jemanden, mit dem Log-Aer-M'in am allerwenigsten gerechnet hätte.
Es war das Gesicht einer
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