2489 - Schach dem Chaos
Erfahrung?
»Ich habe schon viele Veränderungen durchmachen müssen; dies ist der Fluch meiner Unsterblichkeit. Die schmerzhafteste war wohl die Trennung von meinem Lebensmenschen. Ich glaubte nie, dass ich es schaffen würde. Doch als es dann so weit war, fiel ein riesiges Gewicht von meinen Schultern. In diesem Moment wusste ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.«
»Aber er war dein Lebensmensch ... Warum musstest du ihn verlassen?«
»Dinge ändern sich. Relationen verschieben sich. Aufregung wird zu Routine, Zuneigung zu Apathie.«
Dao-Lin-H'ay vereinfachte. Sicherlich waren die Hintergründe wesentlich komplexer.
Ejdu Melia nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Suchst du nach einem neuen Partner?«
»Wie soll ich das verstehen?« Die Augen der Kartanin verengten sich.
»Ich bin ... ich kann alles für dich sein. Liebhaberin. Freundin. Gefährtin. Mann oder Frau. Deine Dienerin, deine Beherrscherin. Du musst es nur wollen, musst mir deine Wünsche offenbaren, damit ich mich dir anpassen kann ... «
»Das Gespräch ist beendet.« Dao-Lin-H'ay warf ihr einen zornigen Blick zu, bevor sie das Schallfeld öffnete und sich dem bevorstehenden Andockmanöver an die UMAKO widmete.
Ejdu Melia saß da, starrte geradeaus, hasste sich für ihre Worte. Sie hatte ihre -möglicherweise einzige - Chance vertan.
12.
Der String-Legat
Er erschien. Er sondierte. Er schnüffelte nach Spuren, nach weiteren Informationen. Gerüche, Gedanken, latent vorhandene Emotionsspuren der hiesigen Wesen führten zu Erkenntnissen.
Er zog keine Schlüsse und keine Querverbindungen, sondern er wartete auf Anweisungen des anderen. Auf dessen Geheiß hin setzte er seine Suche fort. Er konnte spüren, dass sich Zahlen und Daten summierten. Noch aber ergaben sie keinen Sinn. Das Bildnis war nicht vollständig.
Also gab er sich einem der Besatzungsmitglieder zu erkennen und hielt ihm seinen Seelenspiegel vors Gesicht.
Das Opfer, eine sogenannte Kartanin, konnte sich seiner Ausstrahlung nicht entziehen. Es teilte ihm alles mit, was es wusste. Leider war es viel zu wenig. Er musste weitersuchen, einen Entscheidungsträger finden.
Die Gänge waren schmal und niedrig. Er musste sich tief bücken und spürte die Schmerzen seines Alters in den Gelenken. Die aneinander reibenden Chitinteile knacksten so laut wie Peitschenschläge.
Dies war ein Kriegsschiff. Die Besatzungsmitglieder wirkten von der letzten geschlagenen Schlacht erschöpft. Sie waren schwach, denn sie hatten keinen Herrn wie den seinen. Sie ergaben sich lethargischer Müdigkeit, in die sich nur ein ganz klein wenig Hoffnung mischte.
Der Kampf, so erkannte er in ihren Schmerzbildern, hatte sie ein gehöriges Maß an Glaube und Hoffnung verlieren lassen. Die nächste Schlacht - und es würde eine nächste Schlacht geben, keine Frage! - würde sie geschwächt sehen. Das Chaos war drauf und dran, zu triumphieren und diesen - zugegebenermaßen schwachen -Gegner ein für alle Mal auszulöschen.
Er reiste umher, und er suchte nach zusätzlichen Bildern, die er in seinem Leib verinnerlichen konnte. Andere würden sich mit der Auswertung beschäftigen, und KOLTOROC würde wissen, was zu tun war.
Er fand weitere Opfer, die ihm mehr mitteilen konnten als das erste. Die entscheidenden Hinweise erhielt er von der Kommandantin selbst. Versteckt und getarnt, auch durch die Abwehrvorrichtungen des Schiffs nicht zu entdecken, sog er jede Bewegung, jede Geste, jedes Wort der Frau und ihrer beiden Gesprächspartner in sich ein.
13.
Log-Aer-M'in
Sie blieb distanziert und vorsichtig. Immerhin stand sie der legendenumwobenen Dao-Lin-H'ay gegenüber. Einer Ardustaar-Kartanin, einer ehemaligen Hohen Frau, einer, die durch Paratau zum Esper geworden war, die hehre Friedensbotin in einem Hangay der Angst nach dem Großen Transport. Gestalt gewordene Geschichte.
»Ich danke dir für deinen Besuch, Erhabene «, sagte die Flottenkommandantin. »Die Besatzung der UMAKO steht zu deiner Verfügung.«
Dao-Lin-H'ay nickte ihr zu. »Ich bin geehrt, und ich freue mich, einer der größten Feldherrinnen der NK Hangay gegenüberzustehen.«
Damit war der Formalitäten Genüge getan, und sie konnten nach einer kurzen Pause der Besinnung zum eigentlichen Thema ihrer Zusammenkunft übergehen.
Log-Aer-M'in nutzte die Zeit, um Dao-Lin-H'ays Auftreten zu bewerten. Alles an ihr war Grazie und Erhabenheit. Auf seltsame Weise wirkte sie wie das Relikt aus einer anderen, früheren Welt.
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