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249 - Showdown

249 - Showdown

Titel: 249 - Showdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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eine Senke in Schatten. Meilen um Meilen erstreckte sich dieser undurchdringliche Flickenteppich aus Hell und Dunkel. Mittendrin ragte der verwaiste Mammutbaum auf, ein weithin sichtbares Fanal. Er flammte im Abendrot.
    Unterhalb seiner gigantischen, von Pilzgeflecht umsponnenen Krone summte es wie in einem Bienenstock. Das Wildvolk hatte die Entführung der Gefangenen nicht verhindern können, denn ihre Speere und Keulen waren machtlos gegen ein Flugwesen, das nie in Reichweite kam. Jetzt aber kehrte der rätselhafte Silbervogel zurück – und machte Anstalten zu landen! Auf der… Totenwiese!
    Die Krieger waren außer sich vor Zorn. Genügte dem Silbervogel nicht die Schmach, sie ohnmächtig mit ansehen zu lassen, wie er sie ihres Schatzes beraubte, den der Pilzkaiser ihrer Obhut überlassen hatte? Musste er jetzt auch noch den Friedhof schänden? Alle Ahnen des Wildvolks ruhten dort unter dem Gras.
    Plötzlich ging es nicht mehr nur um die entführte Gefangene. Es ging um die Geister der Verstorbenen und ihre heilige Ruhe!
    So rief der Häuptling sein ganzes Volk zu den Waffen. Kinder, Frauen, alte Leute – wer laufen konnte, rüstete sich mit Steinen, Knüppeln oder Äxten und marschierte los, dem Friedhof entgegen.
    Still und verwaist stand der Mammutbaum auf dem Dorfplatz, zwischen leeren Hütten und einsamen Kochstellen. Niemand hörte den Warnruf der immer wachsamen Gelbschnabeltokos, niemand sah den Schatten, der aus dem Unterholz kam.
    Chira hatte Hunger! Vorsichtig näherte sie sich dem Dorf mit seinen Hütten, aus denen es so appetitlich nach Nahrung roch. Unterwegs hielt sie inne und blickte hinauf zu der merkwürdigen weißen Baumkrone. Dort oben war sonst immer eine vertraute Witterung. Heute jedoch nicht. Als wäre Lay nicht mehr da. Chira winselte unglücklich, dann setzte sie ihre Futtersuche fort.
    Man hätte meinen sollen, dass der Urwald mit seiner Artenvielfalt ein reich gedeckter Tisch wäre. War er auch, aber nicht für eine Lupa. Die mutierten Wölfe waren in Euree und Ruland beheimatet, und was hier in Afra an potentiellen Mahlzeiten herumlief, passte zum größten Teil nicht ins Beuteschema.
    Auch die Jagdbedingungen passten nicht: Chira hatte lange, schlanke Läufe. Sie brauchte Platz, freies Land, um die Grasfresser zu hetzen. So war sie es gewohnt. Im Urwald aber gab es keinen Platz. Nur verschlungenes, hitzefeuchtes Unterholz.
    Wäre Lay nicht gewesen, hätte sich Chira längst davongemacht, um nach lichteren Gefilden zu suchen. Doch das konnte sie nicht, denn sie war ein Rudeltier und musste bei ihrem Familienverband bleiben. Der Alpharüde – Rulfan – war fort. Blieb nur noch die haarlose Lupa, die er Lay nannte. Sie war Chiras letzter Halt.
    Erneut begann das Tier zu winseln, doch es klang etwas halbherzig, und das hatte seinen Grund. Chira war auf ein paar Knochen gestoßen; abgenagt, aber noch verwertbar. Sie lagen zusammen mit gekochtem Grünzeug neben einer Hütte.
    Normalerweise wurden solche Speisereste vergraben, um unerwünschte vierbeinige Mitesser gar nicht erst anzulocken. Doch im Moment war kein Mensch da, und so übernahm die Lupa das Entsorgen. Sie knurrte dabei vor Angst, jemand könnte ihr die Mahlzeit stehlen.
    Chiras Knurren vertiefte sich, als der Abendwind umsprang und seltsame Geräusche ins Dorf trug. Da waren Menschenstimmen, helle und dunkle, eindeutig drohend. Und ein Summen, das von keinem Lebewesen stammte. Doch der ganze störende Lärm kam nicht näher, und so wandte sich die Lupa ihrer Mahlzeit zu. Leckte einen Knochen ab, den sie anschließend genüsslich zu knacken gedachte.
    Aber daraus wurde nichts.
    Ruckartig hob Chira den Kopf. Erstarrte. Lauschte. Etwas Neues hatte sich unter das Brüllen und Summen gemischt, und es war weniger diese Stimme, die der Lupa ein Schwanzwedeln entlockte, als vielmehr das, was sie rief. Zwei Silben. Zwei Töne, die das Tier mit sich selbst in Verbindung brachte. »Chira!«
    ***
    »Eine Minute noch!«, rief Matthew Drax. »Keine Sekunde länger!«
    Er hatte den Gleiter bis dicht über die Wiese abgesenkt, war aber nicht gelandet. Knapp über den Bodenwellen und Senken hielt er die Maschine in der Luft. Mit laufenden Triebwerken und ihrem etwas unentspannten Piloten am Steuer.
    Matt hatte angekündigt, dass er sofort durchstarten würde, sollten die Wilden ihre Warteposition verlassen. Noch standen sie in breiter Front am jenseitigen Wiesenrand; der ganze Stamm, wie es schien. Fäuste, Äxte und Speere schwangen sich

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