249 - Showdown
und nicht etwa mit dem Beruf der Verstorbenen.
Grimmig starrten die Hüter finsteren Geheimwissens auf Matt hinab. Das Fett in ihren Lippen hatte sich verzehrt. Breite Zahnreihen grinsten ihn an. Matt zog fröstelnd die Schultern hoch.
»Ich bin dann mal weg!«, murmelte er und eilte weiter.
***
Rulfan lag richtig mit seiner Vermutung, es wäre Grao’sil’aana, der durchs Unterholz stapfte. Allerdings hatte der anderes im Sinn, als seinen Gefangenen zu besuchen.
Grao war bester Laune. Und warum auch nicht? Alles lief genau nach Plan.
Ja, nach meinem Plan! dachte er vergnügt. Ermüdende Debatten lagen hinter dem Sil. Endloses Ringen um Kompromisse, Alternativen und Daa’tans eventuelle Einsicht, dass nur ein wirklich reiner Tisch die Basis für einen Neuanfang war. Doch der Junge wollte partout nicht hören! Nein, seine Mutter musste am Leben bleiben! Dass Mefjuu’drex starb, war in Ordnung. Aber wehe, Aruula wurde auch nur ein Haar gekrümmt!
Irgendwann hatte Grao begriffen, dass man Diskussionen mit rechthaberischen Sturköpfen nur auf eine Art führen konnte: Man sagte Ja und Amen – und tat danach, was man wollte. Seit er dieses Prinzip auslebte, war Grao guter Dinge.
Sein Schützling hatte ihm befohlen, sich mit Aruula zu versöhnen. Ausgerechnet mit ihr, Graos stärkster Konkurrenz im Kampf um Daa’tans Gunst! Grao sollte die Barbarin am Rand der Schlucht in Empfang nehmen und sicher durch den Tropenwald führen. Zu dem besonderen Königsgrab, das sie ausgesucht hatten, um Rulfan einen möglichst qualvollen Tod zu bereiten.
Halte sie beschäftigt, bis ich mit Mefjuu’drex fertig bin!, hatte Daa’tan angeordnet. Doch das Ja!, mit dem er Graos Frage beantwortete, ob Rulfan dann wie vereinbart durch einen diskreten Ruck an der Fangschlinge ins Jenseits befördert würde, klang irgendwie halbherzig.
Er knickt ein, dachte Grao verärgert. Daa’tan redet mir zu viel von Versöhnung! Erst soll ich mich mit Aruula anfreunden. Als nächstes darf der Albino weiterleben, weil das Weib sich sonst grämt! Und danach? Will er sich am Ende noch mit Mefjuu’drex aussöhnen?
Das durfte nicht geschehen! Sechs Jahre hatte er Daa’tan betreut, was – bei Sol’daa’muran! – keine leichte Aufgabe war. Sollte er nun beiseite treten und die Früchte seiner Arbeit zerstören lassen? Von Mefjuu’drex? Dem Primärfeind?
Niemals! Grao verließ den pflanzenumwucherten Pfad und ging ans Werk. Waren erst Aruula und Rulfan erledigt, würde Daa’tan auch Mefjuu’drex töten. Er würde dem Jungen von einem tragischen Unfall berichten: dass seine Mutter zu Rulfan hingestürzt wäre, um ihn von der Schlinge zu befreien, und der Carnivore beide getötet hätte, bevor er es verhindern konnte. Daa’tan hatte selbst gesehen, was das Säurebad anrichtete. Keine Leichen, kein Beweis…
Der Daa’mure horchte auf. Sie kommt! Schnell ging er daran, seinen Plan auszuführen. Viel Zeit blieb ihm nicht…
***
Insekten umtanzten Aruula auf ihrem Weg durch den Tropenwald; mehr als einmal wurde sie gestochen. Grao’sil’aana ließ sich nirgends blicken.
Seltsam, dachte sie. Er sollte mich doch in Empfang nehmen.
Aber sie war nicht traurig über sein Ausbleiben, im Gegenteil. So hatte sie die Chance, Rulfan zu retten. Aruula hatte ihn vom Gleiter und der Felsnadel aus gesehen und glaubte die Richtung gut einschätzen zu können.
Hin und wieder entdeckte Aruula große steinerne Monumente. Pilatre hatte nicht übertrieben: Hier, am Fuß des Vulkans, wimmelte es von alten Gräbern! Die Barbarin sprach ein Gebet für die Vergessenen, während sie sich durch den Busch kämpfte – hoffend, dass sie dabei nicht auf heiligen Boden trat. Denn was hatte der Kaiser gesagt? Die Totenruhe stören heißt Geister erwecken, und man weiß nie, was da aus der stillen Erde heraufkommt!
Unbehaglich blickte sie über ihre Schulter zurück. Ringsum war die Fauna der Wälder auf Futtersuche. Sie zeigte sich nicht, doch sie verriet ihre Präsenz durch Scharren, Schnaufen und dem plötzlichen Aufflattern schwerer Flügel.
»Rulfan?«, rief Aruula gelegentlich, was mehr den Tieren galt, die der ungewohnte Klang einer Menschenstimme vertreiben sollte, als dem Albino. Er konnte sie wahrscheinlich noch gar nicht hören.
Doch plötzlich kam eine Antwort. »Aruula?«
Die Barbarin blieb abrupt stehen. »Rulfan?«
»Hier! Ich bin hier!«
»Oh, Wudan sei Dank!« Aruula atmete auf, wie von einer schweren Last befreit. Sie rannte los, quer durch
Weitere Kostenlose Bücher