2490 - Die dunklen Gärten
Gräber öffnen würde für ihn.
Wie wir alle es ja erhofften.
Aber dann sah ich den ersten Vorschein des Lichtes, die Dämmerung durch seine Rüstung ziehen, sah das Licht heller und greller werden und die Rüstung des Khans sprengen.
Immer stand der Winterkhan einen letzten Moment nackt vor uns, eine fast schon verweste Gestalt. Bußfertig oder voller Hoffart - es machte keinen Unterschied mehr.
Ich wusste, was der Kanzler des Khanats am Abend im Telepathon sagen würde.
»Der Winterkhan«, würde er sagen, »ist entwertet worden. Kein Grab hat sich ihm geöffnet. Der Winterkrieg wird annulliert.«
Wieder würden wir unsere Raumflotten bauen, würden neue, ingeniöse Waffensysteme ersinnen, in die Sternentrajekte einsetzen; wir würden uns mit immer leistungsfähigeren Transparatronen rüsten und die Kriegsgaleeren mit Söldnerhirnen, geworben, geliehen oder geraubt von den Annashy, den Pho, den Gheyta und all den anderen, die wir unter die Obhut des Khanats der Winterwelt gestellt hatten. Wir würden unsere Flotten in das Sphäronium starten und in immer weiter entlegene Sektoren vordringen, in fernere und fernste Galaxien.
Ein neuer Winterkhan würde ernannt und unsere Raumflotten in die Schlacht führen gegen das Bündnis von Sorrgin, gegen die Union von Pejefaia, gegen irgendeinen der zahllosen Feinde des Khanats in einem neuen Winterkrieg.
Einen Krieg, an dessen Ende der Winterkhan über den Gräbern stehen würde in der Hoffnung, eines möchte sich öffnen für ihn.
Es war am Ende des Feldzugs gegen die Vura. Ich hatte die KHAN ANSOUR CHUCCOU kommandiert und an der Inobhutnahme von Vura Zuma teilgenommen. Eine öde Chlorgaswelt von geringer Widerstandskraft gegen die Sternentrajekte des Khanats.
Ich hatte den Winterkhan gesehen, der in der Aureole seines Khanats durch die verwüstete Hauptstadt Vura Zumas glitt und in die Sternenhalle, um dort die primäre Gehirnentnahme zu zelebrieren. Unsere Raumlandetruppen hatten sieben der Dezemvirn dingfest gemacht; zwei von ihnen waren bei der Verteidigung von Vura Zuma ums Leben gekommen, ein Dritter hatte den Freitod gewählt.
Die Sternenhalle, der alte Regierungssitz von Vura Zuma, war bis auf den letzten Platz gefüllt. Tausende von Vurani hingen in den Gestellen; Soldaten der Raumlandetruppen paradierten in schweren, aber geschmückten Schutzanzügen durch die Reihen, die Impulsstrahler im Anschlag. Auf der Empore, dort, wo die Throngestelle der Dezemvirn gestanden hatten, lagen die sieben Letzten in den Operationsfeldern.
Ich sah zu, wie ihre Schädelknochen geöffnet, die Hirne entnommen und in die Habitate der Raumruder eingepflanzt wurden.
»Sie werden«, verkündete der Winterkhan, »zu ihrer Ehre eingesetzt auf
der KHAN ANSOUR CHUCCOU, dem Flaggschiff der Kriegsgaleerenflotte dieses Winterkriegs, und in die Obhut von Bey Dewlet Ghiray.«
Ich schrie den Schrei der Ehre.
Und dachte: Was für ein unnützer Aufwand, das Gehirn von Chlorgasatmern in die Raumruder einzubauen. Schlichte Neurotroniken, wie wir sie auf den Sternentrajekten verwenden, würden besser und verlässlicher arbeiten. Und niemals desertieren.
Und ich schämte mich meiner Gedanken. War das nicht Feigheit?
Ich durfte die KHAN ANSOUR CHUCCOU auf dem Raumhafen der Lebensinsel landen. Kriegsgaleeren gehörten normalerweise in den Orbit. Auch das also eine seltene Ehre. Mein Ältervater holte mich in einer Sänfte ab, getragen von acht Pho. Sie ächzten laut und brüllten, aber ich glaube, mein Ältervater züchtigte sie nie, und der Schwerkraftgenerator war nicht eingeschaltet, sodass die Sänfte keine wirklich große Last für sie war.
»Du bist ein Komiker«, tadelte ich meinen Ältervater. »Du machst deinen Pho das Leben leicht, und sie vergelten es dir mit diesem Mummenschanz. Ächzen und quengeln wie gequälte Tiere. Soll ich die Schwerkraft erhöhen und sie in die wirkliche Pein zwingen?«
»Tu, wozu es dich drängt, Galeerenkapitän«, sagte er und neigte ehrerbietig den Sinnenschirm.
»Ach Ältervater«, sagte ich und lachte.
Die Pho trugen uns stöhnend und brüllend den ganzen Weg vom Raumhafen zum Stammesheim; am Wegesrand standen einige Jungfern. Sie schrien den Schrei der Ehre und entblößten sich mir voller Bereitschaft.
»Du bist ein Held«, sagte mein Ältervater. Er beugte seinen Sinnenschirm demonstrativ zu dem Ghoutrel, dem kurzen Stoßschwert, das ich als Bey tragen durfte. Ich folgte seinem Blick. Der glatte Stahl schimmerte, als wäre er nass.
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