2493 - Der Weltweise - Leo Lukas
standhalten.
»Keine Panik!«, rief Chiranjeeva de Boer. »Weder wir noch der Weltweise entsprechen irgendeinem Beuteschema, das sich in diesem fremden Ozean entwickelt haben mag. Mit etwas Glück ziehen sie bald wieder ab.«
Leider täuschte sich die blonde Biochemikerin fatal. Die gehörnten Scheusale entpuppten sich als Räuber und Allesfresser schlimmster Sorte. Sie attackierten mit bestialischer Wut.
Die Bambuslanzen, mittels derer die Terraner sie von den Booten fernzuhalten versuchten, nötigten den Tieren nur wenig Respekt ab. Matheux schlug ab und zu blindlings mit dem Ruder ins brodelnde Nass, ohne viel auszurichten; die meiste Zeit war er ohnehin damit beschäftigt, nicht über Bord zu gehen.
Andere Exprozessoren sprangen absichtlich ins Wasser. Denn die Bestien, entnahm Matheux den gebrüllten Kommandos, griffen sogar den ohnmächtigen Weltweisen an.
Nahezu übergangslos hatte sich die ruhige See in ein feuchtes Inferno verwandelt. Matheux wurde auf und ab geschleudert, dass ihm Hören und Sehen verging.
Den Lärm und das allgemeine Tohuwabohu übertönte ein Krachen; direkt unter ihm!
Der Boden des Bootes zersplitterte, und zwischen seinen Beinen fuhren drei Hornspieße empor. Eine der Spitzen stoppte nur wenige Millimeter vor seinem Unterleib ...
Von nackter Panik ergriffen, warf er sich zurück. Die Hörner folgten ihm; nun wühlte sich auch der Schädel des Behemoths durch das Loch. Matheux blickte in zwei mordlüsterne, gelborange glühende Knopfaugen.
Dann geschah etwas sehr Seltsames. Hitze wallte in ihm auf, zugleich Eiseskälte. Todesangst und blanker Hass auf das grässliche Vieh verschmolzen zu einem explosiven Gemenge.
Und Matheux ... zündete.
Die Augen des Untiers zerbrachen von innen heraus. Haarfeine Risse überzogen die Pupillen, ein weißblaues Glimmen wie Raureif. Keine Sekunde später zerbarsten sie zu winzigen Kristallen.
Ehe er sich fragen konnte, was soeben passiert war, ging Matheux unter. Das Kanu war vollgelaufen, kippte um und sank.
Er schwamm sich frei, wobei er unter dem lecken Boot wegtauchen musste. Im Wasser trieben rote Schleier und blutige Fleischbrocken, darunter ein grausiges Ding, das wie ein menschlicher Fuß aussah.
Eine weitere gehörnte Bestie kam auf ihn zugeschossen, das Maul weit aufgerissen, rote Fetzen zwischen den Zähnen. Abermals sah Matheux AlanBari dem Tod ins Auge, und abermals tötete er in Notwehr.
Auf dieselbe Weise wie zuvor kristallisierte er die Organe des Raubtiers.
Woher auch immer ihm diese Fähigkeit zugeflossen war - ihre Anwendung kostete ihn immense mentale Energie. Er spürte, dass er das Bewusstsein verlor, und kämpfte vergeblich dagegen an.
*
Die Jagd verlief nicht nach Jozzepoks Geschmack.
»Was ist bloß heute los mit mir?«, knurrte er zornig. »Normalerweise habe ich einen sechsten Sinn dafür, wo sich das Wild herumtreibt. Aber wir ziehen nur Nieten!«
»Auch der beste Jäger hat mal einen schlechten Tag«, versuchte Sahmsivil zu beschwichtigen. »Vielleicht liegt es an der Mondkonstellation, dass die Tiere so übersensibel sind.«
Sie hatten sich an eine Herde von Dreispießwalen angepirscht, waren jedoch nicht einmal bis auf Schussweite der Harpunen herangekommen, als die sonst alles andere als scheuen Kolosse bereits die Flucht ergriffen hatten.
»Flugrattenmist! Gerade um diese Jahreszeit sind sie gewöhnlich leicht zu erwischen, weil die Brunft sie unvorsichtig macht. Weiß auch nicht, was heute abdriftet.«
Am späten Nachmittag machten sie dann endlich doch ganz ansehnliche Beute. Gemeinsam erlegten sie eine fast vierzehn Meter lange Meerviper, deren Schwanzklapper der Trophäenwand im Rüdenheim zur Zierde gereichen würde.
Um das Tier aufzubrechen, beförderten sie es mit dem Seeochsengespann an den Strand einer der unbe-siedelten Zwillingsinseln, die zum südlichsten Zipfel des Archipels gehörten. Dort schlürften sie zur Feier des Tages ein paar vergorene Austern.
Anschließend gingen sie daran, die Viper auszuweiden. Ihr Muskelfleisch war zäh und für Ckornauten nicht bekömmlich. Allerdings hatten so lange und dicke Exemplare meist Ablagerungen in der Milz und den Nieren; dieser Gries wiederum war eine äußerst gefragte Delikatesse.
Mit den Glasklingen legten sie die Innereien frei. Jozzepok, wieder deutlich besserer Laune, spendete seinem Sohn Lob, weil er sich dabei recht geschickt anstellte.
»Ich mag ein Lesemolch sein«, wiegelte Sahmsivil lächelnd ab, »aber Tante Soriskuan hat
Weitere Kostenlose Bücher