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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der erste Blick, den ich
rund um die Einfassung der Ebene sandte. Die Arbeit war eine doppelte
gewesen; sie hatte sich teils auf das Felsenäußere, teils auf das
Felseninnere erstreckt. Das Äußere war, wie bereits gesagt, zur
glatten, senkrechten Mauer gehauen worden. Wo es Lücken gegeben hatte,
waren sie ausgefüllt worden, und zwar in so vortrefflicher Weise, daß
ein sehr scharfes Auge dazu gehörte, den Unterschied zwischen Natur-
und Menschenwerk zu entdecken. Sodann hatte man einen sehr hohen und
sehr tiefen verdeckten Gang ausgehauen, der unten zur ebenen Erde rund
um den ganzen Seeplatz lief. Eine mehr als erstaunliche Leistung!
Jedenfalls das Werk mehrerer Jahrhunderte! Von zwanzig zu zwanzig
Schritten hatte man gewaltige Massivpfeiler stehen lassen, welche oben
in wohl abgemessenen Bogen nach beiden Seiten und nach innen griffen,
um die auf ihnen ruhende Felsenlast zu tragen. Hierdurch war das
Wunderwerk der Kolonnade entstanden, die sich, äußerlich betrachtet,
wie eine ununterbrochene Säulenkette um den gigantischen Fuß der
Felsenrunde legte. Sie war so breit, daß zwölf Mann, ohne einander zu
berühren, nebeneinander hergehen konnten, und zwei gewöhnliche
Stockwerke hoch. Hieraus folgt, daß die Innenwand der Kolonnade
ungefähr zehn Meter von der Hauptwand des Felsens eingerückt war. Man
sah nicht die geringste Spur einer Tür. Und doch mußten Türen vorhanden
sein, denn es gab Fenster, wenn auch nicht in der Form, die man mit dem
Wort Fenster bezeichnet. Das führt mich auf die zweite Art der riesigen
Arbeit, nämlich auf die, welche sich nicht auf das Felsenäußere,
sondern auf das Felseninnere bezog.
    Ich hatte nämlich Grund, anzunehmen, daß diese gewaltige Felsenrunde
ein ‚Inneres‘ besaß, daß sie nicht kompakt, sondern hohl war, daß man
sie ausgehauen und mit dem hierdurch gewonnenen Material den See nach
und nach ausgefüllt hatte. Es gab in diesem Felsen Räume, viele und zum
Teil sehr große und sehr hohe, vielleicht auch sehr tiefe Räume. Das
schloß ich aus den vielen Öffnungen, die ich als ‚Fenster‘ bezeichnet
habe. Ich erinnere an die langen, schmalen, viereckig senkrechten Luft-
und Lichtöffnungen, welche man besonders auf dem Land in den Wänden von
Scheunen, Heuböden und sonstigen Vorratshäusern findet. Sie sind mehr
schießscharten- als fensterähnlich. Solche Scharten gab es hier
unzählige, und zwar außerordentlich regelmäßig verteilt. Es waren
zwischen je zwei Säulen oder Pfeilern vier Stück angebracht, nämlich
zwei Paare. Das eine Paar befand sich in der eingerückten Wand der
Kolonnade, und zwar da, wo die Deckenwölbung begann, das andere Paar
aber hoch in der Haupt- und Außenwand, wohl zwanzig Fuß hoch über dem
vorigen. Diese Scharten waren ungefähr zwei Fuß breit und fünf Fuß
hoch. Man sah von außen, daß sie nach innen nicht eben, sondern abwärts
verliefen, daß sie sich also nach innen senkten. Dadurch wurde dem
Licht ein ungehinderter Zutritt gestattet, als wenn diese Öffnungen
waagerecht angebracht gewesen wären. Außerdem gab es zwischen je zwei
Säulen im Hoch- und Mittelpunkt der gewölbten Decke ein Luftloch von
der Größe, daß man eine geballte Männerhand hineinstecken konnte. Bei
entsprechender Innenverbindung ermöglichte das eine Luftzirkulation,
die jedenfalls genügte, einen nicht ganz unbedeutenden Raum von Stick-
und sonstwie verdorbener Luft freizuhalten. Aus diesen und anderen
Gründen vermutete ich, daß es hier viele und bedeutende Innenräume
gebe, obgleich keine einzige Tür zu sehen war. Ich hegte aber die
Überzeugung, daß wir ganz gewiß eine, dann mehrere und endlich gar noch
viele entdecken würden, sobald wir uns nur erst die Aufgabe stellten,
nachzuforschen. Jetzt war hierzu noch keine Zeit. Ich habe bis jetzt
nur beschrieben, was ich gleich bei und mit dem ersten Rundblick
bemerkte. Dem war dann später nachzuforschen. Jetzt aber hatte ich mit
dem Dschirbani und seinem Gefährten zu reden, um zu hören, ob irgend
etwas mit dem Mir besprochen worden war, was ich zu erfahren hatte.
    „Ssahib, soeben war von dir die Rede“, sagte der Dschirbani, der
mich bekanntlich am liebsten ‚Ssahib‘ nannte. „Es war eine große,
schöne, fast möchte ich sagen, erhabene Nacht!“
    „Ist etwas Wichtiges geschehen?“ fragte ich.
    „Nein, nichts eigentlich Wichtiges. Und aber doch! Etwas unendlich Wichtiges, für Ardistan wichtig im allerhöchsten Grad!“
    „Darf ich es erfahren?“
    „Du weißt es

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