25 - Ardistan und Dschinnistan II
schon!“ Er lächelte mich bei diesen Worten an.
„Ah! Du meinst die Wandlung, die sich gegenwärtig im Innern des Mir vollzieht?“
„Ja, die meine ich. Er hat uns alles, alles erzählt, und das hat
ganz anders geklungen, als wie dein Halef erzählte. Was bist du für ein
kühner, verwegener wagemutiger Mann!“
„Nur überlegend und berechnend, weiter nichts! Und wenn die
Überlegung mich einmal zu einem guten Entschluß geführt hat, so lasse
ich ihn nicht liegen, sondern bringe ihn zu Ende, selbst wenn ich
dadurch in die Gefahr komme, für grob und rücksichtslos gehalten zu
werden.“
„In dieser Gefahr hast du dich in letzter Zeit allerdings wiederholt befunden, sehr, sehr!“
„Er hat sich beklagt?“
„O nein! Mit keinem Wort! Er lobte nur, und zwar aufrichtig wie ich
glaube, behaupten zu können. Das muß ich dir sagen, damit du über die
Frage, was und wie er über dich denkt und spricht, beruhigt bist. Er
hat sich überhaupt über niemanden beklagt, auch nicht über seine Gegner
und nicht über die Aufrührer. Und ebensowenig hat er sich über sich
selbst beklagt. Von Selbstanklagen, Bekenntnissen und Geständnissen hat
es keine Spur gegeben. Wir haben über den Glauben gesprochen, über die
Religionen der Erde, über den Wert der Wissenschaften, über die Kunst
der Fürsten, ihre Völker glücklich zu machen, über die Verpflichtungen
des Menschen seinen Nebenmenschen gegenüber und über alle möglichen
anderen Fragen, welche du als ‚Menschheitsfragen‘ zu bezeichnen
pflegst. Man hörte ihm das heiße, aufrichtige Verlangen an, sich zu
orientieren, über diese Fragen, über uns, über sich selbst. Er kommt
mir vor, wie die erste gute, nützliche Frucht eines bisher unnützen,
vielleicht sogar giftigen Baums. Eure Anwesenheit in Ard ist von
vortrefflicher Wirkung gewesen. Besonders tief hat ihn die
Weihnachtsfeier gepackt. Ich glaube, er ist auf dem besten Weg, ein
Christ, und zwar ein sehr ernster, zu werden. Er hat bisher das
Abendland verachtet und gehaßt; nun aber beginnt er schon, es zu
schätzen und liebzugewinnen. Es hat ihm imponiert.“
Als der Dschirbani hier eine Pause machte, fiel der Erstgeborene der Tschoban ein:
„Denke dir diese Örtlichkeit! Diesen scharfen Ausschnitt des
Sternenhimmels mit der geheimnisvollen, werdenden Mondsichel über dem
noch nie gesehenen Maha-Lama-See! Denke dir die Gedanken, Ahnungen und
Gefühle, die das erweckt! Und denke dir dazu uns drei Männer, ein jeder
anders, ein jeder eigengeartet, ein jeder von der Vorsehung auf einen
nicht gewöhnlichen Platz gestellt! Diese drei Männer sind zum ersten
Mal beisammen, dem Tod geweiht, doch keineswegs verzagend! Sie hoffen,
von einem Europäer gerettet zu werden, den sie ehren, den sie lieben,
dem sie vertrauen, denn er ist nicht zu ihnen gekommen, um sie
auszubeuten, sondern aus wahrer, wirklicher Menschenliebe, die von
Mohammed nur befohlen, von Christus aber wirklich geoffenbart und als
Herrscherin eingesetzt worden ist! Und denke dir hierzu die Heiligkeit,
Wichtigkeit und Größe der Fragen, die besprochen worden sind, so wirst
du es glauben, daß die Stunden dieser jetzt vergangenen Nacht wirklich
erhabene gewesen sind. Es wurde nur im allgemeinen gesprochen; es wurde
nichts Spezielles berührt. In Sonderheit vermied es ein jeder von uns,
die zwischen uns brennenden Angelegenheiten und Verhältnisse auch nur
von weitem zu erwähnen. Das soll jedenfalls erst noch geschehen. Und
doch habe ich das Gefühl, als ob während unseres Gesprächs dort am
Wasserengel das nächstkünftige Geschick der hiesigen Völkerschaften
entschieden worden sei, und zwar in günstigem, in glücklichem, in
friedlichem Sinn!“
„Ich glaube es, obgleich mir nicht vergönnt war, der vierte bei euch zu sein. Wo ist der Mir jetzt? Kam er nicht mit hierher?“
„Als der Morgen graute und wir uns trennten, sagte er, daß es für
ihn unmöglich sei, nun noch zu schlafen. Er werde einen Rundgang um den
See machen und sich dann hier einstellen.“
„Wie unvorsichtig von ihm! Es ist zwar nicht wahrscheinlich, aber
doch immerhin möglich, daß wir uns nicht allein an diesem Ort befinden.
Wie leicht kann er in eine Gefahr geraten, aus der er sich nicht selbst
zu befreien vermag! Ein Mir ist kein gewöhnlicher Mann. Er hat
Rücksicht auf den Wert zu nehmen, den seine Person nicht nur für ihn
selbst, sondern auch für andere hat! Doch glaube ich, ihn zu sehen. Da
draußen kommt jemand.“
Es gab, allerdings weit draußen,
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