25 - Ardistan und Dschinnistan II
hier!“
Zwischen Mauer und Wasser führte ein steinerner Gang rundum, denn
das sich auf einen kolossalen Mittelpfeiler stützende Gewölbe war
kreisförmig, und so bildete auch die Randlinie des Wassers einen Kreis.
Der Mir entfernte sich. Er ging langsam an dieser Kreislinie hin, deren
Durchmesser so groß war, daß die kleine Kerzenflamme schon nach kurzer
Zeit im dichten Dunkel verschwand. Nur noch die Schritte waren zu
hören. Man vernahm ganz deutlich, daß ihr Schall an der Kuppel
hinauflief und drüben aber nicht hinunterkonnte. Darum sammelten sich
die Schallwellen aller dieser Schritte da oben zu einem Getöse, welches
dort wie Donner rollte, bei mir hier unten aber nur wie das
geheimnisvolle Flüstern einiger halbwelker Blätter klang. Dann hörte
auch dieses Lispeln auf. Der Mir stand still.
Es war eine eigenartige Situation, die gar nicht zu beschreiben ist.
Nach einiger Zeit flüsterte es wieder, aber nur kurz. Der Mir hatte
eine Bewegung gemacht, wahrscheinlich sich niedergesetzt. Und nun kam
eine lange, lange Pause, wohl eine halbe Stunde lang, in der sich gar
nichts regte. Dann gab es so eigentümlich zischende, leicht schnaubende
Töne. Weinte er vielleicht? Und gar nicht lange darauf gab es jenseits
des Wassers ein lautes, ja überlautes Brausen, welches durch drei kurze
Pausen in vier einzelne, zornige Stöße geschieden wurde. Wahrscheinlich
hatte der Mir, ohne daran zu denken, daß ich es hören könne, in seiner
inneren Aufregung einige Ausrufungen getan, die aber nicht als
abgesetzte Worte, sondern als verworrener Schall zur Höhe gingen, so
daß ich sie nicht verstehen konnte. Dort oben aber, wo sich alles
Verworrene zusammenfand, um sich wieder aufzulösen, wurden die
einzelnen Laute und Worte infolge des Schallgesetzes wieder
ordnungsgemäß vereinigt, und kamen zu mir so leise, so vertraulich und
doch so deutlich nieder, wie wenn eine teure Person, die wir lieben,
ihre Lippen unserm Ohr nähert, um uns etwas Willkommenes mitzuteilen.
Es raunte mir zu: „Er hat recht –! Und ich will –! Ich
will –! Ich will –!“
Das war es, was sich aus seiner Seele herausgerungen hatte, diese
Erkenntnis und dieser Entschluß. Diese Worte waren seinem Herzen
unwillkürlich und unbewacht entstiegen, und nun dachte er wohl gar
nicht daran, ob ich sie gehört und verstanden habe oder nicht. Hierauf
kehrte er zurück, aber von der andern Seite. Er war rund um das Bassin
gegangen. Er ging, die Kerze in der Hand, an mir vorüber, ohne ein Wort
zu sagen, und stieg die Treppe hinauf. Wie sehr mit sich beschäftigt
mußte er sein! Ich folgte ihm, ohne ihm wegen dieser Achtlosigkeit zu
zürnen! In dem oberen Räume angekommen, blieb er auch nicht stehen,
sondern er blies seine Kerze aus, legte sie dahin, woher ich sie
genommen hatte, und stieg vollends empor. Ich tat dasselbe, doch
weniger hastig als er.
Als ich aus dem Treppenloch in das Freie trat, begrüßten mich meine
Hunde, die hier zurückgeblieben waren. Sie hatten Angst um mich gehabt
und stiegen nun mit den Vorderpfoten an mir empor, um sich zärtlich an
mich zu drücken. Der Mir war schon die Freistufen hinuntergestiegen. Er
stand auf der untersten und wartete auf mich. Er hatte seit meiner
Strafrede nur erst zwei Worte gesprochen; nun aber, als ich zu ihm
hinunterkam, fragte er:
„Effendi, was bist du für ein Mensch? Was du durchsetzen willst, das setzest du durch, es mag andern weh tun oder nicht!“
„War es gut, oder war es schlecht?“
„Es war gut!“
„So gewöhne dir das ebenso an, wie ich es mir angewöhnt habe! Man
soll das Gute stets durchsetzen, mag es weh tun oder nicht. Nur der
Böse räsoniert über den heilsamen Schmerz, den es verursacht.“
„Schmerz war es, ja Schmerz! Und zwar kein geringer! Ich dachte, als
ich da unten am Wasser stand, ich müsse hineinspringen und mich
ersäufen. Da aber dachte ich auch an meine Mutter, an die einzige, die
mich liebte. Es war, als ob sie bei mir stehe und mir deine schweren
Worte tragen helfe. Da erkannte ich, daß du recht gehabt hast in allem,
was ich von dir sah und hörte. Und ich bekannte es, um mich nicht
länger selbst zu betrügen. Ich rief es laut über das Wasser hinaus, so
daß es war, als ob alles zusammenstürzen wolle. Du mußt den Lärm, den
das machte, gehört haben. Zu verstehen aber war kein Wort. Du gehst
jetzt zu den Gefährten?“
„Ja.“
„Ich bleibe hier und warte. Ich bitte dich, dem Dschirbani und dem
Prinzen der Tschoban zu sagen, daß ich
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