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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Residenzgemeinde, an ihrer Spitze der ehrwürdige Basch Nasrani auf einem weißen, köstlich aufgeschirrten Maultier, um sich an die Spitze des Zugs zu setzen. Der Oberpriester ritt, als wir an dieser Stelle erschienen, zu dem Mir heran und hieß ihn mit lauten, frohen, weithin schallenden Worten willkommen. Der Herrscher senkte demütig das Haupt, um die Hand des Geistlichen ein-, zwei-, ja dreimal zu küssen. In diesem Augenblick stieg die Sonne ganz plötzlich, wie mit einem schnellen freudigen Sprung, hinter den jenseitigen Bergen empor; Millionen und aber Millionen goldener Strahlen überfluteten die Stadt; das Volk brach in weiter und weiter klingenden Jubel aus, und von dem hohen Dom herab erklang das Geläut der Glocken. Der Mir weinte; Abd el Fadl weinte; Merhameh weinte; Halef weinte, und ich – na, ich – weinte auch! Auch in den Augen des Oberpriesters standen Tränen, aber auf seinem milden, schönen Angesicht glänzte ein sonniges, wonniges Leuchten, der erste, aber zuversichtliche, prophetische Schimmer einer neuen, glücklichen Zeit.
    Der Zug setzte sich in Bewegung. Voran ging ihm das Frohlocken der von frohen Hoffnungen erfüllten Menschenherzen. Über ihm schwebte, wogte und wallte der ehernklingende Segen des Gottesglaubens. Und hinter den weiß und goldig schimmernden Scharen der Panzerreiter reichten Tausende und Abertausende sich die Hände, ohne einander zu fragen, welcher politischen Farbe sie noch vorgestern und gestern angehört hatten, und wie es gekommen sei, daß dem noch vor kurzem so sehr Gehaßten und Gefürchteten heut eine so allgemeine und herzliche Liebe entgegenflute. Man begnügte sich mit dem einen Gedanken, der aber alle, alle erfüllte: Er war wieder da – wieder da!

SIEBENTES KAPITEL
    Die Schlacht am Dschebel Allah
    Der Einzug des Mir war vorüber. Nichts, aber auch gar nichts hatte ihn gestört, obwohl wir wenigstens auf sporadische Ausdrücke oder Ausbrüche der Unzufriedenheit oder des Hasses gefaßt gewesen waren. Wie sonderbar: Es war Revolution gewesen; man hatte den Herrscher ab- und einen andern eingesetzt, und doch fanden wir im Schloß alles ganz genauso, wie wir es verlassen hatten. Die Ecke meines Teppichs war noch genauso umgebogen, und der Wassernapf meiner Hunde stand noch genau an derselben Stelle wie in dem Augenblick, an dem ich fortgegangen war. Ganz dieselbe Beobachtung machte bei sich auch der Mir. Man hatte den Eindruck, als ob während unserer Abwesenheit ganz und gar nichts Unregelmäßiges oder Außerordentliches geschehen sei.
    Freilich, so wie hier im Schloß, so war es leider nicht auch außerhalb desselben. Hier hatte die Leibgarde dafür gesorgt, daß niemand gewagt hatte, Hand anzulegen. Glücklicherweise aber hatte es auch draußen einen gegeben, der mit kluger, verständiger Ein- und Voraussicht bemüht gewesen war, den Verwicklungen eine derartige Richtung zu geben, daß sie nur von kurzer Dauer waren und seine schwer zu lösenden Knoten hinterlassen hatten. Dieser Mann war der Oberpriester. Ihm hatte der Mir außerordentlich viel zu verdanken. Darum ernannte er ihn jetzt trotz seiner geistlichen Würde ebenso zum Oberkommandanten der Stadt, wie der ‚Panther‘ dasselbe mit dem Basch Islami getan hatte.
    Dieser letztere war bis gestern abend der höchste Mann der Residenz gewesen; er hatte geglaubt, dies auch in Zukunft sein zu können, denn er betrachtete den ‚Panther‘ nur als Marionette; nun aber war er in einen tiefen Keller des Schlosses eingesperrt und wurde heraufgeholt, um vernommen zu werden. Man hatte ihn mitten aus seiner Familie geholt und alle seine Fragen unbeantwortet gelassen. So war er also ohne alle Ahnung davon, daß die Ausführung seiner Pläne eine für ihn so unheilvolle Wendung genommen hatte. Es war der Wunsch des Mir, daß ich bei dieser Unterredung zugegen sei und daß womöglich Halef das Wort zu führen habe. Er hatte Wohlgefallen an der Art und Weise gefunden, in welcher der kleine Hadschi Personen, die er nicht liebte, abzufertigen pflegte, und er meinte, daß grad dem Basch Islami eine solche Abfertigung sehr wohl zu gönnen sei. Darauf war Halef nun ungeheuer stolz.
    Der Basch Nasrani war nicht anwesend. Er hatte es in wohlberechtigtem Zartgefühl abgelehnt, als ‚oberster Christ‘ des Landes bei der Demütigung des ‚obersten Mohammedaners‘ zugegen zu sein. Aber Abd el Fadl hatte teilzunehmen und ebenso auch der von dem ‚Panther‘ vom Major zum Oberst beförderte Offizier, der aber

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