25 - Ardistan und Dschinnistan II
du der Mir von Dschinnistan? Oder bist du beides? Wo hast du deine Scharen?“
„Meine Scharen sind überall da, wo Hilfe nötig ist“, erklang es aus dem Mund des Schech el Beled, indem er aus der Türeinfassung langsam herein in das Zimmer trat. „Heut sind sie bei dem, den du verrietest. Morgen werden sie sich an die Krallen des ‚Panthers‘ heften und ihn jagen, bis er zusammenbricht.“
„So ist er verloren!“ rief der Basch Islami. „Und er hatte sich doch grad auf den Mir von Dschinnistan verlassen!“
„Auf diesen? Welch ein Wahnsinn! Wie konnte er das wagen?“
„Der Mir von Ardistan hatte dem Mir von Dschinnistan den Krieg erklärt, und dieser schickte sofort seine Scharen über die Grenze. Das konnte doch nur gegen den Mir von Ardistan sein, und so hofften wir, in dem Beherrscher von Dschinnistan einen Verbündeten zu finden.“
„Und wär er euch nicht zu Willen, was dann?“
„Dann war es unser Plan, ihn als Feind zu betrachten und einfach niederzuschlagen.“
„Als Feind zu betrachten! Niederzuschlagen! Ihn!“
Es war ein ganz eigenartiger, lachender und doch auch klagender Ton, in dem der Schech el Beled dies sagte. Dann fuhr er fort:
„Ihr Toren! Weil ihr so schwach und kurzsichtig seid, auf Feindschaft mit Feindschaft zu antworten, glaubt ihr, der Mir von Dschinnistan müsse ebenso tun. Ich sage euch: Seine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und seine Wege sind nicht eure Wege! Seine Siege nahen sich euch auf den Flügeln der Liebe, nicht auf den Flatterhäuten des Hasses und der Gewalt. Er sandte seine Scharen über die Grenze, den Feind zu beschützen, nicht aber, ihn zu vernichten. Er will nicht durch die Niederlage, sondern durch den Sieg des Gegners siegen. Das lernt von ihm, ihr, die ihr danach trachtet, nicht mehr Gewaltmenschen, sondern Edelmenschen zu sein! Nur die Niedrigkeit, die Roheit unterliegt, das Tier im Menschen, die Bestie, der ‚Panther‘, der gegen seinen eigenen Bruder wütet und stündlich auf der Lauer liegt, seine Wohltäter zu zerfleischen!“
„Wie richtig, wie richtig!“ stimmte der Basch Islami bei. „Er ist der Feind seines eigenen Bruders und seines eigenen Vaters! Er umschlich den Mir von Ardistan, der ihm nur Liebe erwies, und sprang dann auf ihn ein, ihn zu zerfleischen. Und ebenso umschlich er mich. Er versprach, mein Kind zur Herrscherin zu machen, und wir glaubten ihm. Seine Absicht aber ging auf die Prinzessin von Halihm. Uns hätte er später fallen und verschwinden lassen, wie der Mir in der ‚Stadt der Toten‘ verschwinden sollte! Ich sage mich von ihm los, vollständig los!“
„Glaubst du, dadurch deiner Strafe zu entgehen?“ fragte der Schech el Beled.
„Nein. Daran dachte ich nicht. Ich bin empört über seinen Verrat und seine Schurkerei, und ich sage nur das, was diese Empörung mir diktiert. Eine Berechnung ist nicht dabei. Ich bin euer Gefangener, und ich kenne das Schicksal, welches meiner wartet. Einmal hat mich der Mir entkommen lassen; zum zweiten Male wird er das nicht wieder tun, denn ich habe es ihm schlecht gelohnt. Aber ich spreche trotzdem eine Bitte aus, nicht um meinet-, sondern um euretwillen. Sie mag wahnsinnig klingen, ist aber ebenso wohlbedacht wie wohlbegründet.“
„Sprich sie aus!“ forderte der Mir ihn auf.
„Ich bin der Oberste der mohammedanischen Geistlichkeit, also das, was man in andern Ländern den ‚Scheik ul Islam‘ nennt. Was ich befehle und was ich tue, hat Gültigkeit für alle, die unter mir stehen. Ich habe den Aufstand gegen den Herrscher anbefohlen; ich kann ihn ebenso auch wieder abbefehlen, und ich bin gewillt, dies sofort zu tun. Gebt mir Feder und Papier zu den Verordnungen für meine Oberbeamten, die sie augenblicklich weiterverbreiten werden! Und laßt mein Siegel holen, durch welches diese Dokumente Gültigkeit erlangen! Wollt ihr das?“
„Das, was du forderst, ist nur zu billigen“, antwortete der Mir. „Aber nach den hiesigen Gesetzen gilt das, was nur geschrieben steht, trotz aller Siegel nichts, wenn du es nicht öffentlich, persönlich und mündlich in der ersten Moschee des Landes verkündest und bestätigest. Und diese liegt hier in Ard.“
„Das ist es ja, was ich bitten möchte. Und das meinte ich, als ich sagte, daß diese Bitte wahnsinnig klinge. Laßt die Gebetsbretter läuten; ruft die Gläubigen nach der Moschee, und führt mich dann hinein, damit ich zu ihnen spreche und es allen Moslemin sage, daß der ‚Panther‘ ein Betrüger und Verräter
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