25 - Ardistan und Dschinnistan II
dir!“
Er reichte ihm die Hand. Das war für den bescheidenen, treuen Mann ein größerer Lohn als jede andere gewöhnliche Gabe.
Der Platz, auf dem wir hielten, war groß und mit frischem, nahrhaftem Gras bestanden. Ein schmales, aber vollfließendes Wasser schlängelte sich über ihn hin. Das gab eine gute Weide- und Lagerstelle für unsere Pferde. Wir gönnten ihnen diese Ruhe und Erholung gern, weil wir, um die Stadt in einer Tour zu erreichen, noch sechs volle Stunden zu reiten hatten.
Als es zu dunkeln begann, ließen wir uns auf die Höhe des Felsens führen, den der Ministrant als Telegraphenstation bezeichnet hatte. Man genoß von da oben aus einen weiten Rundblick. Der Apparat, den er uns zeigte, bestand aus einem in die Erde geschlagenen Pfahl und einer Anzahl von Raketen, welche je nachdem, was mit ihnen gesagt werden sollte, verschiedene Füllung hatten. Die Dämmerung ist in jenen Gegenden eine sehr kurze. So brauchten wir also nicht lange zu warten, bis es vollständig dunkel geworden war. Da ließ man die erste Rakete steigen. Es bedurfte keiner zweiten. Ard lag von uns genau nach Osten. Indem wir nach dieser Richtung schauten, sahen wir schon nach kaum einer Minute einen ganz gleichen Feuerstrahl sich erheben. Man hatte sehr gut aufgepaßt. Nach wieder einer Minute bemerkten wir eine weitere Feuergarbe, aber in so großer Entfernung, daß sie uns sehr klein erschien und nur deshalb erkannt werden konnte, weil wir die genaue Richtung scharf im Auge hielten. Die Botschaft ging also weiter.
„In einer Viertelstunde weiß der Basch Nasrani, daß ihr hier angekommen seid“, sagte der Ministrant. „Eine Viertelstunde später ist der Basch Islami schon gefangen. Bis eine Stunde vor Mitternacht wird man uns sagen, ob ihr weiterreiten könnt oder nicht.“
„Weiterreiten? Oder nicht?“ fragte der Mir. „Wir werden auf alle Fälle weiterreiten. Öffnet sich mir die Stadt nicht in eurer Weise, so werden wir sie zwingen, sich in der unserigen zu öffnen! Ihr paßt also hier oben sehr scharf auf?“
„Ja. Es kann uns kein Zeichen entgehen, welches uns gegeben wird.“
„So können wir ruhig schlafen?“
„Ja. – Wir werden wecken, sobald die Zeit gekommen ist.“
Wir stiegen also wieder hinab, verzehrten unser Abendbrot und legten uns dann nieder. Ob der Mir so ‚ruhig‘ schlief, wie er gesagt hatte, das weiß ich nicht; daß aber ich es tat, das weiß ich ganz genau. Ich fühlte ein sehr großes Vertrauen zu der eigenartigen, mich fast kindlich anmutenden ‚Gegenrevolution‘ des wackeren Oberpriesters, und selbst wenn sie nicht zum Ziel geführt hätte, besaßen wir doch unser zahlreiches Heer, also Leute genug, um den Gegnern unsern Willen aufzuzwingen. Es gab also gar keine Sorge, die mir den Schlaf hätte rauben können, und ich wachte erst auf, als ich von Halef, der neben mir gelegen hatte, geweckt wurde.
„Steh auf, Sihdi!“ sagte er. „Das Zeichen ist nunmehr da.“
„Welches?“ fragte ich.
„Das weiß ich noch nicht. Aber die Leute da oben auf dem Felsen jubilierten, als es kam. Es muß also ein gutes sein. Schau, da antworten sie schon!“
Der Ministrant ließ gleich drei Raketen hintereinander steigen und rief dann zu uns herab:
„Wacht auf! Steht auf! Wir haben gesiegt! Es ist alles gut, sehr gut gegangen, ja, wohl besser, als wir dachten.“
Wir folgten seinem Ruf, tränkten die Pferde und brachen dann auf. Er bekam ein Reservepferd, um als Führer mit uns zu reiten. Seine Gefährten aber wandten sich auf näheren Richtwegen der Stadt entgegen, deren Nähe wir erreichten, als die steigende Helle des Morgens das Nahen der Sonne verkündete.
Als ich mit Halef Ard zum ersten Male vor uns liegen sah, waren wir aus Süden gekommen. Heut kamen wir aus Westen. Wir befanden uns also auf einer andern Seite der Stadt, doch war das Terrain ganz dasselbe. Wir ritten eine Höhe hinauf und hatten dann die Stadt ganz ebenso wie damals vor uns liegen. Aber etwas war doch anders, ganz anders. Nämlich auf dieser Höhe war eine große, fast lückenlose Menschenmenge versammelt, welche den Mir mit lautem Jubel bewillkommnete. Doch trotz dieser Menge stand die breite Hauptstraße, welche von da hinabführte, vollständig frei und offen, wenn auch zu beiden Seiten eingefaßt von dem Publikum, welches sich da Kopf an Kopf zusammengefunden hatte. Und auf diesem freien Straßeneingang hielten die Offiziere der Schloßwache und die hervorragenden christlichen Beamten und Abgeordneten
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