25 - Ardistan und Dschinnistan II
Christbaumschmuck gearbeitet hatten. Der erstere rief uns, noch ehe er uns erreichte, freudig zu:
„Gott sei gepriesen, daß ihr grad diesen Weg geritten seid, an dem wir warten! Freilich unbemerkt konntet ihr wohl nicht bleiben, weil auch die andern Wege besetzt worden sind.“
„Von Freunden?“ fragte der Mir.
„Ja, nur von Freunden. Die Feinde wissen nichts davon, weil wir es heimlich tun.“
„Wer hat das angeordnet?“
„Mein frommer, ehrwürdiger Herr, der Basch Nasrani. Er wußte, daß ihr kommen würdet. Und er wünschte, daß ihr, noch ehe ihr die Stadt erreicht, erfahrt, wie es in ihr steht. Darum stellte er Wachen aus. Ich bitte euch, abzusteigen und auszuruhen. Der Platz ist dazu geeignet wie kein anderer. Er ist abgelegen und niemand wird euch beobachten.“
„Warum absteigen und bleiben? Wir wollen weiter.“
„Das sollt ihr auch, doch nicht jetzt. Gewiß wolltet ihr noch reiten, bis es dunkel geworden ist, um dann Lager zu machen bis morgen früh?“
„Allerdings.“
„Das geht nicht; das wäre falsch. Da würdet ihr erst zur Mittagszeit dort eintreffen, die richtige Zeit aber ist gleich früh, wenn es Tag geworden ist.“
„Warum?“
„Weil die Verschwörung es so beschlossen hat.“
„Welche Verschwörung?“
„Du brauchst nicht zu erschrecken; ich meine nicht die mohammedanische Verschwörung, sondern die christliche. Die Mohammedaner und Lamaisten haben sich gegen dich verschworen, um dich abzusetzen; da haben sich nun sämtliche Christen gegen den ‚Panther‘ verschworen, um dich wieder einzusetzen. Alle Christen der Stadt und alle Christen des weiten Landes sind bereit, auf ein bestimmtes Zeichen wie mit einem einzigen Schlag für dich aufzutreten, doch ohne Blutvergießen und andere Taten, die verboten sind. Wir haben es so geheimgehalten, daß kein Mensch es ahnt, dem wir nicht trauen. Aber wir wissen, daß eigentlich nur der Pöbel zu dem ‚Panther‘ hält, sowohl der niedrige als auch der vornehme Pöbel, der sich durch den Aufruhr gegen dich bereichern will. Und wir sind überzeugt, daß alle Mohammedaner und Lamagläubigen, die nicht zu diesem Pöbel gehören, sich uns beigesellen werden, sobald wir unser Werk beginnen. Das Weihnachtsfest hat dir nicht nur alle christlichen, sondern auch viele tausend andere Herzen erobert. Und als man hörte, daß du nach der ‚Stadt der Toten‘ gelockt worden seist, um dort elend zu verschmachten, trat auch das Mitleid aller unverdorbenen Menschen für dich ein. Dann verbreitete sich die Kunde, daß die Herrscherin mit ihren Kindern zu dir geflohen sei, um dort mit dir zu sterben; auch das hat viele deiner Feinde in Freunde verwandelt. Ich darf dir also wohl sagen, daß du Unzähligen willkommen bist, wenn du morgen früh in Ard deinen Einzug hältst.“
Der Mann sprach mit Begeisterung; er ging ganz in seiner Sache auf. Die Lippen des Mir zuckten; seine Augen füllten sich mit Tränen, die er nicht zurückhalten konnte. Er mußte diese Rührung erst niederkämpfen, ehe es ihm möglich war, zu antworten.
„Also mögen früh?“ fragte er. „Wie konntet ihr das so fest und genau bestimmen? Wenn ihr auch glaubtet, daß ich dem Untergang in der ‚Stadt der Toten‘ entgehen werde, so war es euch doch unmöglich, meine Wiederkehr auf die Stunde zu bestimmen!“
„Auf die Stunde, ja doch, wenn auch nicht auf den Tag! Ob du heut oder morgen oder übermorgen kommst, ist gleich, aber deinen Einzug hältst du auf alle Fälle früh, unter Glockengeläut, wenn die Sonne sich über die östlichen Berge hebt, um unseren angestammten Mir, den wir nicht hergeben wollen, zu begrüßen.“
Wieder kämpfte der Herrscher mit seiner Rührung, und darum fragte ich an seiner Stelle: „Wer hat das angeordnet?“
„Der Mir von Dschinnistan“, antwortete der Ministrant.
Da rief der Herrscher trotz der Rührung schnell und laut:
„Wie? Wer? Der Mir von Dschinnistan? Woher weißt du das?“
„Vom Basch Nasrani.“
„Steht der denn in Beziehung zu ihm?“
„Oh, schon seit langer, langer Zeit! Er liebt und verehrt ihn sondergleichen. Er tut nichts Wichtiges, ohne sich vorher an diesen Herrn zu wenden, der dein bester Freund ist, den du hast, so weit dein Land und so weit die Erde reicht. Ist doch der Gedanke der Verschwörung gegen den ‚Panther‘ auch nicht eigentlich von uns, sondern nur von dem Mir von Dschinnistan ausgegangen! Er sagte, er wolle keinen andern Herrscher über Ardistan als nur dich allein – du seist der
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