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25 Stunden

25 Stunden

Titel: 25 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Benioff
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Shop gearbeitet, Herrgott noch mal, und sich sogar einen Zickenbart stehen lassen. Nach einer Weile ging ihm auf, dass ihm die Musik, die er angeblich so toll fand, eigentlich überhaupt nicht gefiel, dass ihm aus lauter Vorfreude auf die zehntausend Kilometer Mountainbike-Strecken im Umland eben doch keiner abging, dass er sich in der Gegenwart seiner tätowierten und gepiercten Mit-Espressomahler vorkam wie die Ulknummer in einem längst aus der Mode gekommenen Musikvideo. Er fuhr vor dem Passahfest zum Sederabend nach Haus und begriff, dass er sich nach der Stadt sehnte und dass mit Stadt immer nur eine gemeint sein konnte. Wohin er auch ging, überall flehten ihn die Leute an, wieder zurückzukommen. Komm zurück, sagte die lederbehoste Schönheit an der Kasse einer Boutique auf der Madison Avenue; komm zurück, sangen die ekelhaften Vörzeigeangestellten im U-Bahnhof Union Square; komm zurück, riefen die Hotdog-Verkäufer draußen vor dem Metropolitan Museum; komm zurück, Jakob, komm zurück, schrie die ganze Stadt, komm zurück, und wir schreiben deinen Namen mit der Fensterbeleuchtung auf das Empire State Building.
    Slattery brütet über seinem Teller Knochen. Seine Mundwinkel zucken. »Wie läuft7 s auf der Arbeit?«, fragt Jakob. Er hat das Gefühl, seinen Freund von dessen Gewaltfantasien ablenken zu müssen. Slattery scheint in der kalten Jahreszeit immer am mürrischsten zu sein: auf der High School hat er sich jeden Winter auf ein bestimmtes Gewicht runtergehungert, auf dem College auch. Das scheint ihm immer noch in den Knochen zu stecken.
    Ein paar Sekunden lang sagt Slattery nichts. Dann: »Toll. Alle fahren voll auf mich ab.«
    »Du hast Senf am Kinn«, sagt Jakob.
    Slattery wischt ihn mit dem Handrücken ab. »Wir müssen los. Ich hab Monty gesagt, dass wir uns um zehn mit ihm treffen.« Er macht den Ober auf sich aufmerksam und deutet das Unterschreiben einer Rechnung an.
    »Das heißt um halb zwölf, nach M.B.Z.«
    »Ich sag dir was, mit der Monty-Brogan-Zeit hat es sich bald. Noch ein paar Stunden, und für ihn gilt die Bundeszeit.«
    Jakob schüttelt den Kopf und sieht zu, wie auf der Sixth Avenue der Verkehr durch den Schnee rollt. »Ich find es einfach irgendwie nicht fair.«
    »Was denn?«
    »Irgendein Typ sticht seiner Frau ein Messer in den Kopf«, sagt Jakob, »und nach drei Jahren ist er wieder draußen. Monty hat vorher nie irgendwelchen Ärger gemacht, er hat niemanden erschossen, er hat niemandem einen Baseballschläger über den Kopf gezogen, und jetzt soll er für sieben Jahre hinter Gitter? Das ist nicht richtig.«
    Slattery lässt sich vom Ober die Rechnung geben, überfliegt kurz die Posten und gibt ihm seine Kreditkarte.
    »Wie viel schulde ich dir?«, fragt Jakob.
    »Lass gut sein.«
    »Nein, wieso? Ich kann doch...«
    »Lass gut sein, Jake. Ist schon in Ordnung.«
    Jakob lässt sich in seinen Stuhl zurückfallen. »Jedenfalls finde ich es einfach nicht fair.«
    »Das sagtest du bereits. Du sagst seit zwei Wochen nichts anderes. Trotzdem ist es Schwachsinn.«
    »Schwachsinn? Findest du das etwa gerecht? Findest du etwa, dass Monty das verdient hat...«
    »Hey, wir waren doch zusammen auf Aaron Haddads Beerdigung. Weißt du noch wie seine Mutter ausssah? Sie mussten sie praktisch reintragen.«
    »Weiß ich noch.«
    »Die Bank, in der wir gesessen haben, hat gebebt. Den ganzen Gottesdienst hindurch hat die Bank gebebt. Und ich hab gedacht - unter uns fährt keine U-Bahn, wir sind auf der Madison Avenue. Warum also bebt diese Bank so? Und dann seh ich die Bank runter, und da sitzen diese drei Mädchen, diese drei hübschen Mädchen, und heulen sich die Augen aus. Sie waren dermaßen am Heulen, dass die ganze Bank gebebt hat. Tja, und das Dreckszeug, das Aaron umgebracht hat, ist genau das Dreckszeug, das Monty vertickt. Also hör auf mir zu erzählen, wie unfair es ist, dass der arme Monty in den Knast muss.«
    Der Ober kehrt mit der Kreditkartenabrechnung an ihren Tisch zurück. Slattery unterschreibt und steckt die zweite Ausfertigung ein.
    »Als ich das mit Aaron erfahren habe«, sagt Jakob, »da hab ich nicht gedacht: Junge, ich hoffe, sie finden den Typen, der ihm das Zeug verkauft hat. Ich hab gedacht: Dieser blöde Hund, hat sein Leben einfach weggeworfen. Niemand hat Aaron zu irgendwas gezwungen. Er hat seine Wahl getroffen und sich alles versaut. Weißt du was? Es tut mir Leid, ich weiß, wie fies das klingt, aber scheiß auf Aaron. Mike Feaney hat Knochenkrebs gekriegt

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