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25 Stunden

25 Stunden

Titel: 25 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Benioff
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eigenen Pfeile mit silberner Befiederung mitgebracht und spielt Dart. Der Fernseher über dem Tresen zeigt die Höhepunkte der heutigen Basketball-Spiele. Ein fettnackiger alter Mann beugt sich über das blinkende VideoPokerspiel neben der Tür zu den Klos. Die Jukebox neben dem Fenster spielt Jerry Jeff Walker:
    It's up against the wall, redneck mothers,
    Mother, who has raised her son so well (so what! so what!),
    He's thirty-four and drinking in a honky-tonk,
    Kicking hippies' asses and raising hell.
    Manchmal wäre Slattery gern ein Redneck. Er kennt keine Rednecks — gerade mal Tex im Büro, der ist aus Oklahoma; aber Tex hat in Harvard studiert, und Slattery ist sich ziemlich sicher, dass Tex damit ausfällt, auch wenn er Kautabak kaut und Röhrenjeans trägt. Der Hundertsiebenundsiebzigpfünder in Slatterys Ringermannschaft auf dem College, Zeke irgendwas, stammte aus dem tiefsten Pennsylvania, hinterwäldlerischer ging es kaum. Wie war noch sein Nachname? Er trug eine Mütze, auf der Cat Diesel Power stand, und sagte ständig Sachen wie: »Ach komm, Big Frank, du willst mich wohl vergackeiem?« Slattery konnte es nicht ab, wenn ihn einer Big Frank nannte; er genoss es, Zeke die ganzen zwei Stunden ihres morgendlichen Trainings hindurch immer wieder in die Matte zu rammen. Zeke schien es sogar noch mehr zu genießen; er war kein besonders guter Ringer, besaß aber eine beunruhigend hohe Schmerzschwelle. Vielleicht war Zeke ein Redneck, aber Slattery wäre nicht gern Zeke; er wäre gern der Redneck aus dem Song, der sich in irgendwelchen Spelunken einen ansäuft, Hippies aufmischt und mit seinem Pick-up-Truck nach Hause fährt, neben sich immer irgendein gutes altes Mädel mit einem Bindestrichvomamen. Rednecks haben es drauf.
    Jakob kommt aus dem Hinterzimmer zurück, die Yankees- Mütze tief in die Stirn gezogen. Slattery sieht zu, wie er direkt vor einem gerade ausholenden Dartspieler durchläuft, blind für jede Gefahr. Der Dartspieler schaut zu seinen Freunden und tut so, als werfe er den Pfeil nach Jakobs Hinterkopf. Slattery spürt das altbekannte Ziehen in den Eingeweiden, die Ahnung einer bevorstehenden Prügelei. Er würde Jakob am liebsten dafür durchschütteln, dass er ständig solche achtlosen Provokationen vom Stapel lässt, würde dem Dartspieler am liebsten dafür eins aufs Maul geben, dass er Jakob bedroht hat. Er starrt den Burschen finster an, aber der ignoriert ihn. Slattery fragt sich zum tausendsten Mal, wie Jakob es schafft, in dieser Stadt auch nur einen Tag zu überleben.
    Jakob setzt sich auf den Hocker neben Slattery. »Es ist nicht zu fassen. Meine Mutter sagt: ›Du solltest heute Abend nicht unterwegs sein. Das ist der schlimmste Schneesturm des Jahres.‹ Und ich sage: ›Mom, ehrlich; ich bin sechsundzwanzig Jahre alt.‹«
    »Und warum rufst du sie dann überhaupt an?« Die dicke Fliege ist auf dem Tresen gelandet, und Slattery sieht zu, wie sie die Vorderbeine aneinander reibt, ein Penner, der sich die Hände über einem brennenden Mülleimer wärmt. Er lässt seine Faust hinunterkrachen, aber die Fliege saust unbeschadet davon.
    »Du kennst meine Mutter. Sie sagt, sie könne nicht einschlafen, so lange ich mich nicht gemeldet habe. Du solltest dir diese Gespräche mal anhören. ›Hast du dieses Ding für das Ding schon besorgt?‹ Und ich sage: ›Ja, Mom, vor zwei Wochen.‹ Verstehst du? Ich meine, was soll das sein? Das Ding für das Ding? Sie benutzt überhaupt keine richtigen Wörter, aber ich verstehe sie trotzdem.«
    Jody kommt zurück und blinzelt Slattery zu. »Dein kleiner Bruder, Frank? Er ist süß.«
    »Mit mir vergeuden Sie bloß Ihre Zeit«, sagt Jakob. »Ich rangiere bei Zweiundsechzig.«
    Jody nickt und zapft Bier in beschlagene Gläser. »Aber das liegt wahrscheinlich bloß daran, dass Sie nicht an der Wall Street arbeiten. Die Skala ist voll aufs Geld ausgerichtet.«
    Jakob starrt erst sie an, dann Slattery. »Kennt sich etwa die ganze Stadt damit aus?«
    »Die ganze Stadt nicht«, sagt Jody und stellt ihnen die Biere hin. »Nur die ganze Kneipe.« Sie streckt Slattery die Zunge heraus und zieht sich ans andere Ende des Tresens zurück, zu den älteren Männern, die dort sitzen und schweigend auf ihre Rückkehr warten.
    »Eine tolle Art, Freundschaften zu knüpfen«, murmelt Jakob, stützt sich mit verschränkten Armen auf den Tresen und bläst Muster in die Schaumkrone seines Biers.
    Slattery konzentriert sich auf Jody, auf ihren Arsch vor allem, der in

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