25 Stunden

Titel: 25 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Benioff

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der Verkündung des Strafmaßes ist er frei, bis zu seinem Haftantritt. Die Gefängnisbehörde hat ihm aufgetragen, sich direkt bei der Strafanstalt zu melden. Das erscheint mir ungewöhnlich.«
    »So ungewöhnlich nun auch wieder nicht«, erwidert Gedny und schenkt sich Wein nach. »So lange es nicht um Gewaltverbrechen geht, passiert das sogar ziemlich häufig. Maravai...«
    »Es macht mich misstrauisch, Mr. Gedny. Es lässt mich denken, dass das DEA den Richter vielleicht darum gebeten hat. Es lässt mich denken, dass sie ihn immer noch umzudrehen versuchen. Er geht täglich zu einem Bewährungshelfer des Bundes, nicht? Worüber reden die da?«
    Der Anwalt zuckt die Schultern. »Über so gut wie gar nichts. Er muss sich melden. Sie wollen einfach sichergehen, dass er in der Gegend bleibt. Wissen Sie, warum Maravai in U-Haft gehen musste? Er ist schwarz und vorbestraft. Brogan ist nie wegen irgendetwas angeklagt worden. Er ist weiß, sieht gut aus, und der Richter fand ihn sympathisch, der Richter fand seinen Dad sympathisch. Sein Dad hat die eigene Kneipe als Kaution gestellt, das zählt enorm. Ich glaube nicht, dass das DEA irgendetwas damit zu schaffen hat.«
    »Die wissen mehr, als Sie glauben, Mr. Gedny. Die sind schnurstracks zu Brogans Sofa spaziert. Die haben genau gewusst, wo sie suchen mussten. Wenn Brogan die Wahrheit sagt, dann ist er verpfiffen worden.«
    Gedny zeigt erst an die Decke und dann auf sein Ohr. »Wir sollten nach dem Essen ein bisschen spazieren gehen. Unsere Überschuhe anziehen und einen kleinen Spaziergang machen.«
    »Das Restaurant ist sauber.«
    Gedny spießt mit der Gabel eine Garnele auf, befördert sie auf seinen Teller, schneidet den Schwanz ab. »Oh, ganz bestimmt. Und ganz bestimmt haben auch alle gedacht, das Ravenite wäre sauber. Aber ich würde trotzdem gern spazieren gehen. Muss ja nicht weit sein... Ihre Vermutung trifft zu.« Gedny beißt von der Garnele ab und hebt die Brauen. »Das ist eine ganz hervorragende Garnele.«

14
    Bis Slattery seinen langen Kaschmirmantel vom Schnee befreit und aufgehängt hat, steht auf dem Tresen schon ein Whiskey für ihn bereit.
    »Hey, Jody«, sagt er und ist endlich wieder guter Laune. Dies ist ein wichtiger Moment seines Lebens: zum ersten Mal hat ihn eine Barfrau beim Hereinkommen erkannt und ihm seinen Drink eingeschenkt, ohne erst die Bestellung abzuwarten. Wenn es jetzt noch die richtige Marke ist, überlegt er, dann bedenke ich sie in meinem Testament. Gott segne sie, es ist Jameson's.
    »Ich muss mal eben telefonieren«, sagt Jakob und verschwindet schlurfend Richtung Hinterzimmer, schlägt sich dabei die feuchte Yankees-Mütze gegen die Hüfte.
    »Riesensturm da draußen«, sagt Jody und lehnt sich auf den Tresen, eine routinierte Bewegung, die ihre Oberweite in das Gespräch mit einbezieht: Hallo allerseits. »Der erste in diesem Jahr.« Hinter ihr schimmern die Flaschen verführerisch; auf den Holzregalen darüber stehen große Einweckgläser. Jedes Glas enthält ein totes Krabbeltier: riesige Kakerlaken, Motten, Hirschkäfer und Tausendfüßler.
    »Die da ist neu, oder?«, fragt Slattery.
    Jody sieht zu dem Glas, auf das er zeigt. Slattery nutzt die Gunst des Augenblicks und wirft einen Blick auf ihre Brüste. Es sind tolle Brüste. Ein beglückender Anblick.
    »Welche, die Bananenspinne? Ja, die hat Linda aus Florida mitgebracht. Sieht aus wie eine Tarantula, stimmt's? Mit ihren behaarten Beinen und so.«
    »Sieht gut aus. Hat sie gut hingekriegt.«
    Jody sieht ihn an und schmunzelt. »Du machst mich nervös, wenn du die Krabbelviecher so bewunderst. Schlechtes Zeichen, mein Freund.«
    Jody wird ans andere Ende des Tresens gerufen, und Slattery schaut zur Tür. Monty wird den Laden hassen; es ist überhaupt kein Laden für ihn. Die meisten Leute hier sind Stammgäste, behäbige Weiße, die wegen der Countrymusik und der hübschen Barfrauen kommen. Eine dicke schwarze Fliege brummt an Slatterys Gesicht vorbei, und er schlägt halbherzig nach ihr.
    Die Bug Bar gibt es schon ewig. Ein paar Monate lang ist sie mal schwer angesagt gewesen - zwischendurch, nachdem auf der Toilette ein berühmter Scheidungsanwalt erschossen worden ist, aber die Zeiten sind längst wieder vorbei. Der Linoleumboden ist mit Sägemehl bestreut. Hinten übt ein bärtiger Mann in einer Tarnjacke Trickschüsse auf einem Pool-Tisch, der mit rotem Filz bespannt ist. Der Filz wimmelt von Dreiangeln und Falten und Bierflecken. Eine Gruppe Studenten hat ihre