25 Stunden
lauscht, nicht in der Raw Bar an der Grand Central Station sitzt und Austern aus der Schale schlürft, nicht die Hockeyspieler anbrüllt, den Puck abzugeben, dass er gar nichts mehr tut, Punkt.
»Es spielt keine Rolle mehr«, sagt Monty und sichert die Pistole. »Was soll das noch? Ich hätte dir das mit Kostya vor sieben Monaten erzählen können. Da war es zu spät, und es ist heute zu spät. Ihr bringt ihn um, ihr beerdigt ihn, ich geh trotzdem nach Otisville. Was soll das also noch?« Er wirft Uncle Blue die Pistole zu, der fängt sie auf und runzelt die Stirn.
»Pass auf dich auf«, sagt Uncle Blue.
»Ich pass schon auf mich auf. Und du pass auch auf dich auf. Du hältst mich für weich, stimmt's? Du hältst mich für weich?«
»Monty«, sagt Valghobek. »Überleg dir lieber, was du sagst.«
»Nein, warum denn. Ist mir doch egal. Ist mir alles scheißegal, bloß eines nicht: Wenn meinem Vater irgendwas zustößt, dann bring ich euch beide um.«
Der eine Zwilling fragt etwas auf Russisch, aber Uncle Blue hebt die Hand.
»Mach nur«, sagt Monty. »Gib ihm den Befehl, wenn du das unbedingt willst. Aber wenn ich aus diesem Zimmer rausgehe, sind wir fertig miteinander. Hörst du? Ich bin draußen, mein Vater ist draußen.«
»Das ändert überhaupt nichts«, sagt Uncle Blue und winkt zu Kostya, der dort liegt und leise weint. »Damit rettest du niemanden.«
»Willst du mich gehen lassen oder nicht?«
Uncle Blue trommelt mit den Fingern auf die Tischplatte. Valghobek steckt sich die nächste Zigarette an, löscht das Streichholz mit einer Bewegung des Handgelenks und wirft es auf den Boden. Alle warten. Der Basslauf ist kaum zu hören hier unten, aber Monty kann die Vibrationen in seinen Knochen spüren. Ein Glas Wasser auf dem Tisch zittert sachte.
»Denk daran, was ich dir gesagt habe«, sagt Uncle Blue. »Ein Mann ohne Freunde.«
Er nickt Valghobek zu, der zur Tür hinübergeht und sie öffnet. Valghobek bläst einen perfekten Rauchring, und Monty sieht zu, wie er wabernd aufsteigt, zu den Leuchtstoffröhren hinauf.
»Na los«, sagt Valghobek. »Du verpasst deine Party.«
21
Auf dem U-Bahnhof sitzen drei junge Männer, still und fröstelnd, die Rücken an den gewellten Stahlrolladen eines geschlossenen Kioskes gelehnt. Am anderen Ende der Plattform stehen zwei Teenager mit rasierten Köpfen und müden Gesichtem und nippen abwechselnd an einem Karton Orangensaft. An einem der blauen Stahlträger, die das Dach des U-Bahnhofes stützen, lehnt ein alter Mann, der sich aus einem schwarzen Müllsack einen Poncho gemacht hat. Er hält sich ein kleines Radio ans Ohr und lauscht einer Erweckungspredigt in spanischer Sprache. Im Haar des alten Mannes schmilzt Schnee, das Wasser läuft ihm den Hals hinunter, über den schwarzen Kunststoff des Müllsacks, und sammelt sich zu seinen Füßen.
Slattery hört die beiden Jungen lachen; sie hocken am Rand der Plattform und starren auf die Gleise. Er beugt sich vor, kann aber nicht erkennen, was sie zum Lachen bringt. Monty und Jakob bemerken es gar nicht, aber Slattery ist neugierig, also steht er auf, geht zu den Jungen hinüber, fragt: »Was gibt's da unten zu sehen?« Sein Atem steigt in weißen Wolken über ihren Köpfen auf.
Die Jungen taxieren ihn kurz, stufen ihn als ungefährlich ein, zeigen Richtung Tunnel. Slattery späht in die Dunkelheit. »Ja und?« Dann sieht er den rosafarbenen Schwanz einer Ratte unter eine Schiene gleiten. Allmählich machen seine Augen Bewegungen aus in den Schatten, und er zählt sechs, sieben, neun Ratten, die alle zwischen den Schienen herumwimmeln, in den zusammengeknüllten Papiertüten, Trinkbechern, Schokoriegelhüllen und Orangenschalen herumschnüffeln.
»Diese Viecher«, sagt der größere der beiden Jungen, »die fressen Rattengift wie Schokolade. Das MTA legt immer mehr Gift da unten aus, und die Ratten werden immer fetter.Jetzt überlegen sie, sich einen Haufen Schlangen zu besorgen, Pythons, aus Afrika, und sie in den Tunneln auszusetzen. Damit sie die Ratten fressen.«
»Sie sollten's mal mit Katzen probieren«, meint Slattery. »Käme billiger.«
Der Junge runzelt die Stirn. »Die würden doch von den Zügen erwischt. Das ist ja gerade der Witz, über eine Schlange zwischen den Gleisen könnten sie einfach drüberfahren.«
Slattery schmunzelt. Er versucht sich vorzustellen, wie ein New Yorker Politiker afrikanische Schlangen importiert, damit er sie in den U-Bahntunneln aussetzen kann.
»Mein Onkel arbeitet
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