2500 Kilometer zu Fuß durch Europa
vibriert. Viele
sagen, dass sich das Spanische nur über das Gefühl erschließt; mit Logik ist da
nichts zu machen. Nicht dass das Deutsche mit seinen
,Tierkörperbeseitigungsanlagen’ und ,Bundesjugendausbildungsförderungsgesetzen’
einfacher wäre, im Gegenteil: Während die Spanier beispielsweise effizient mit
Artikeln und Pronomen umgehen, reihen wir solch nichtsnutzige Einsprengsel
oftmals inflationär aneinander. Oder was soll man von einer Sprache halten, bei
der der Satz ,Die , die die, die die Wiese betreten,
anzeigen, werden belohnt’ Sinn macht?
Ich bin jetzt etwas vom Thema
abgekommen, aber das liegt nur daran, dass mich diese energiegeladene
Reiseleiterin abgelenkt hat: So was kann einen ganz schön aus der Bahn werfen!
Jedenfalls besichtigen wir unter Anleitung unserer hoch motivierten Schnellfeuerwaffe
die Kathedrale von Astorga, die wirklich etwas hermacht, imposant von außen und
kunstvoll verziert von innen, und auch die zweite Kirche beeindruckt uns sehr.
Als sich allerdings die Türme eines dritten Gotteshauses in unser Blickfeld schieben,
auf dessen Eingangsportal unsere Reiseleiterin zielstrebig zuhechtet ,
runzelt sogar die schüchterne Belgierin neben mir, der ich Teile der Wortsalven
zu übersetzen versuche, die Stirn und zeigt verhohlen auf einen Supermarkt. In
einem Akt von immenser Symbolkraft lassen wir daraufhin das Gotteshaus links
liegen und begeben uns stattdessen in den Konsumtempel, wo wir unser Abendessen
kaufen und uns anschließend im Foyer der Pilgerunterkunft darüber hermachen.
Ich weiß an dieser Stelle nicht, wie es den anderen Pilgern ergangen ist; ich
weiß nur, dass Astorga über mehr als ein Dutzend Kirchen verfügt...
In der Räuberhöhle von Foncebadón
Am nächsten Morgen verlasse ich Astorga
kurz vor Sonnenaufgang. Meine Beine schieben mich fast
automatisch vorwärts, kein Vergleich mehr zu meinen Mühen in den Schweizer
Bergen. Bis zum Mittag habe ich dreißig Kilometer zurückgelegt und kaum
bemerkt, dass es dabei stetig bergauf gegangen ist. In dem knapp 1.400 Meter
hoch gelegenen Gebirgsdorf Foncebadón, das, wenn ich richtig gezählt habe, aus
insgesamt acht Häusern besteht, entschließe ich mich zu einer ersten Pause und
trete in eine Bar. Nun ist der Akt des Eintretens in eine Bar an sich nichts
Außergewöhnliches; vermutlich treten in dem Moment, in dem ihr diese Zeilen
lest, Tausende von Menschen irgendwo auf der Welt in eine Bar. Doch als ich in
das Gasthaus von Foncebadón eintrete, bleibt mir trotzdem der Mund vor Staunen
offen. Das hier ist keine gewöhnliche Kneipe. Das hier ist eine Räuberhöhle!
Die Wände, an denen riesige Kuhfelle hängen, sind aus
Stein. Selbst gezimmerte Holztische stehen chaotisch im Raum, ein alter Kamin
flackert im Hintergrund. Als ich eintrete, tönen mir uralte keltische Rhythmen
entgegen, und die Luft ist erfüllt von herzhaften Gerüchen nach geräuchertem
Schinken und frischem Käse. Soweit eingestimmt werfe ich einen Blick in die
Runde. Eine bereits angeheiterte Pilgergruppe hat sich am hinteren Tisch
niedergelassen und diskutiert eifrig mit dem Barbesitzer, der mit dem Rücken zu
mir steht. Als er mein Eintreten aus den Augenwinkeln bemerkt, dreht er sich
langsam zu mir um.
Ich blicke in ein derbes, von Wind und
Sonne gegerbtes Gesicht, aus dem heraus mich zwei dunkle Augen wie Abgründe
fixieren und das von wilden pechschwarzen Locken umrahmt wird. Über einem lange
nicht mehr gewaschenen Vollbart schnellt eine Nase hervor, die beinahe
erschreckende Ausmaße besitzt und schwungvoll abwärts gebogen ist. Als stürze
ein reißender Wasserfall über eine Steilklippe. Weiter unten schließt sich ein
mit Flecken übersätes Rüschenhemd an, das in eine dunkelgrüne Lederhose
übergeht. Ein Lendenschurz, der den nicht eben geringen Bauchumfang umfasst,
hält die ganze Pracht zusammen, und ein riesiges Messer, das der Fremde in
seiner rechten Pranke hält, rundet das Bild vollends ab. Der Barbesitzer von
Foncebadón sieht aus wie ein Bilderbuchräuber, und er verhält sich auch so.
„Na, da haben wir ja einen neuen Gast“, schreit er mir ins Gesicht. In diesem
Tonfall hätte er auch „Hände hoch, du elender Wicht“ oder etwas Ähnliches rufen
können. Vielleicht sollte ich ihm sagen, dass gar kein Grund besteht, so
herumzubrüllen: Immerhin stehe ich genau vor ihm, und mit dieser Stimme könnte
er einen ausgewachsenen Bären in die Flucht schlagen oder eine Kuh betäuben.
„Was darf s denn
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