2500 Kilometer zu Fuß durch Europa
Jakobswegs beginnt im
Jahr 813 mit der spektakulären Entdeckung der Grabstätte von Jakobus dem
Älteren, einem der zwölf Apostel Jesu. Welche Bedeutung dieser Fund für das
christliche Europa hatte, wird deutlich, wenn man sich die Situation in Spanien
zu jener Zeit vor Augen führt.
Gegen Ende des siebten Jahrhunderts,
etwa hundert Jahre vor der Entdeckung des Apostelgrabs, setzten
18.000 maurische Krieger unter Führung
des Emirs Musa Ibn Nusair al- Babkri über das Mittelmeer. Vom heutigen Algeciras aus folgten sie dem Verlauf des Guadalquivir und eroberten innerhalb weniger Monate
Südspanien. Ein Grund für den schnellen Vormarsch der zahlenmäßig unterlegenen
Araber war ihre neuartige Militärtaktik: Angriffen von beweglichen Heeren mit
leichter Bewaffnung auf schnellen, wendigen Pferden hatten die spanischen
Verteidiger, die mit Körperpanzerung und Schwert kämpften, wenig entgegen zu
setzen. Der innere Verfall des westgotischen Reiches, vor allem unter König
Roderich, tat sein Übriges. Nach der Einnahme Toledos hatte das Westgotenreich
aufgehört zu existieren, und Spanien war in weniger als drei Jahren von den
Arabern erobert worden.
Mit einer Ausnahme: Im Nordwesten des
Landes kämpften galizische Heere erbittert gegen die Fremdherrschaft. Es gelang
ihnen, die Unabhängigkeit eines Landstrichs zu erhalten, der sich im Norden der
Iberischen Halbinsel von der Atlantikküste Galiziens bis zu den Pyrenäen zieht.
An den Grenzen dieses Gebiets herrschte ständiger Kriegszustand. Das
rebellische Volk im Norden war den Mauren ein Dorn im Auge, und seine Einwohner
lebten in ständiger Furcht vor einer arabischen Eroberung.
Das ist die historische Ausgangslage,
als ein einfacher christlicher Mönch namens Pelayo im Jahr 813 die karge Gegend
Galiziens im äußersten Nordwesten Spaniens durchstreift, um einen Platz zum Meidtieren zu finden. Noch
ahnt er nicht, dass er heute eine Entdeckung machen wird, die das Machtgefüge
in Europa für immer verändern wird, die dazu beitragen wird, dass hier die
Aufklärung stattfindet und dass christliche Kirchen statt Moscheen erbaut
werden. Denn das, was der galizische Einsiedler in Nordspanien finden wird,
sollte einer der entscheidenden Impulse werden, die zum Ende der maurischen
Fremdherrschaft beitragen.
Ein mysteriöses Sternenfeld führt Pelayo
zu einer Grabstätte, die man als letzte Ruhestätte eines Heiligen erkennt:
Jakobus des Älteren, Santiago el Mayor , der
erste Apostel von Jesus Christus, der ermordet wurde, und der einzige, der je
in Europa missioniert hat. Als der Bischof den Fund bezeugt, verbreitet sich
die Nachricht vom Auffinden des Jakobus wie ein
Lauffeuer. Im 9. Jahrhundert entwickelt sich ein regionaler Kult um das Grab
des Apostels, im 10. Jahrhundert ist es in ganz Südeuropa bekannt und im 11.
Jahrhundert wird die Ruhestätte des Jakobus nach Jerusalem und Rom zum
drittgrößten Wallfahrtsziel der Christenheit.
Die Nachricht des sagenhaften Fundes im
fernen Galizien wirkt auf die europäischen Christen wie das lang ersehnte
Zeichen vom Anfang des Endes der arabischen Fremdherrschaft. Die Reconquista ,
die Rückeroberung der Iberischen Halbinsel, gewinnt an Kraft. In der
entscheidenden Schlacht von Clavijo erscheint den
christlichen Heeren Jakobus hoch zu Pferd als matamoros ( ,Maurentöter’ ), was wie ein göttlicher Ansporn auf
die zahlenmäßig unterlegenen Verteidiger wirkt. Sie erringen einen ersten
wichtigen Sieg über die Araber. Der heilige Jakobus wird zum Schutzpatron der Reconquista ,
Pilgerscharen strömen nach Santiago.
Natürlich ist das, wie eingangs erwähnt,
eine Legende, die insbesondere von der findigen spanischen Kirche kunstvoll um
die wahren Ereignisse herum konstruiert wurde. Aber es ist eine Legende, in der
sich die Geschichte Europas widerspiegelt, und in der die Ängste und Hoffnungen
insbesondere der katholisch geprägten Südvölker präsent sind.
Ähnlich der Geschichte um die Entdeckung
des Apostelgrabs lässt sich das, was wir über das Leben des Jakobus wissen, auf vielerlei Arten erzählen. Als gesichert gilt, dass Jakobus der
Ältere ein einfacher Fischer war, bevor er zu den ersten vier berufenen Jüngern
von Jesus Christus gehörte (Markus 1,19). Gemeinsam mit Petrus und Johannes
nimmt Jakobus eine hervorgehobene Position unter den Jüngern ein: Unter anderem
ist er bei der Verklärung Jesu (Markus 9,2) und der Nacht am Ölberg (Markus
14,26) anwesend. Jakobus war
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