251 - Der Taratzenkönig
den Stamm ausstoßen konnte. Der Biglord schob Dehmien ein schmutziges Stück Stoff in den Mund und band es mit einem Tuch fest.
Danach wurde die schreiende Lisbee auf das Eis des Flusses geführt, während vier junge Männer das »Gerüst« schleppten. Dabei handelte es sich um einen etwa drei Meter hohen, offenen Quader aus vier groben Pfosten, die im Abstand von zwei Metern zusammengenagelt waren. Die oberen Ecken waren über Kreuz mit zwei weiteren Pfosten verbunden.
Beetieh selbst hackte ein Loch in die glitzernde Eisdecke, bis das Wasser heraus schwappte. Währenddessen hielt Dextah Lisbee an den Armen fest, während Will ihren Rock anhob und ihr mit dem Messer einen tiefen Schnitt an beiden Waden verpasste. Sofort schoss Blut hervor, färbte das verschneite Eis rot. Dann warfen die Lords ein Seil über das obere Kreuz, befestigten es um Lisbees Brustkorb, zogen die Unglückliche hoch und fixierten das Seil. Danach schoben sie das Gerüst mit der zappelnden Frau direkt über das Eisloch, lösten das Seil und ließen sie langsam hinab.
Ein Aufstöhnen ging durch die Reihen der Lords, als die blutenden Beine im eiskalten Wasser versanken. Lisbee schrie nun wie am Spieß, drehte sich am Seil und trat ins Wasser. Dabei zog sie sich weitere Verletzungen an den scharfen Eiskanten zu.
Plötzlich begann das Wasser zu brodeln, Fontänen schossen neben der Frau aus dem Eisloch. Etwas zog von unten an ihr. Die mutierten Flussbarsche, angelockt und rasend durch das Blut.
Nach einigen Sekunden gab Beetieh ein Zeichen. Dextah schnitt das Seil durch, an dem Lisbee hing. Mit einem letzten erstickten Schrei verschwand sie in den aufgewühlten Fluten und in den Mäulern der Baasche .
»So mach ich's mit allen, die Oaguudoo anbeten!«, verkündete Beetieh. Ein Schaudern und leises Stöhnen lief durch die Menge der Versammelten; keiner sagte ein Wort.
Danach wanderten sie zur Bwück mit de Wakudahöana , während die Biglords nun Druud Dehmien abholten. Auch für diese Hinrichtung gab es ein passendes Gerüst. Dextah und Will zogen Dehmien, dem die Arme dicht an den Körper gefesselt waren, bis zum Trichter des linken »Wakudahorns« hoch. Mit den Beinen voraus ließen sie den Unglücklichen hinein rutschen. Da sich der Trichter nach unten stark verjüngte, blieb Dehmien irgendwann stecken. Trotz der Kälte dauerte es mehrere Stunden, bis der Tod den unglücklichen Druiden erlöste.
Währenddessen beruhigte Beetieh seine weinenden Töchter. »Nich twauwig sein. De Lisbee hat schlimme Sachen gemacht, da musste ich sie bestwafe.«
Die Mädchen erfassten die Lüge, beruhigten sich aber wieder. Ihr Vater war ihnen am Ende wichtiger als die Mutter, die sie ohnehin immer nur gestraft und mit Verboten belegt hatte.
»Wohea hat de Gwanload das mit de Dwuud und Oaguudoo gewusst?«, fragte Will den anderen Biglord einige Tage später.
Dextah zögerte und warf einen finsteren Blick auf das Eis des Flusses, auf dem Twaysi und Gwaysi unbeschwert mit anderen Kindern spielten. »De Twaysi hat's ihm gesagt, bin ich mia sicha. East das mit de Lisbee unne Tschootsch, dann de Dehmien unne Oaguudoo. De Twaysi weiß iagendwie, was wia Loads denken. Unne Gwaysi vielleicht auch. Müsse voasichtig sein. De beide sind bestimmt Witchaas !«
***
Londoner Zoo, September 2525
Traysi schlief drei Tage und drei Nächte durch. Als sie erwachte, fühlte sie sich deutlich gekräftigt. Die Schmerzen waren erträglich, das Kopfweh beschränkte sich auf ein leichtes Pochen in den Schläfen und im Hinterkopf. Zu ihrem Entsetzen war die doppelte Sicht aber immer noch unverändert.
Traysi ging nach draußen, setzte sich auf einen Felsen und schaute über Landán hinweg. Nach dem Stand der Sonne, die zwischen grauen Wolken hervor lugte, musste es kurz vor Mittag sein. In den Ruinen bewegte sich nichts, aber am Himmel waren Vultuurs unterwegs. Immer wieder stieß einer der Geiervögel kreischend nach unten in die Ruinenfelder. Traysi sah auch dies permanent zwei Sekunden im Voraus. Konzentriert versuchte sie die zweite Ebene der Gefahrsicht auszublenden, doch es gelang nur unzureichend.
Nach einer Weile bemerkte sie, dass Taratzen auf dem Gelände des Zoos umher streiften und sie beobachteten.
Ich brauche Hilfe , dachte sie. Muss hier weg. Aber das geht nicht ohne Honeys Einverständnis. Er lässt mich sicher nicht gehen. Ich muss ihn stärker beeinflussen…
Traysi erhob sich und kletterte nach unten. Als sie einen Fuß auf einen größeren Felsen
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