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253 - Das Terror-Gen

253 - Das Terror-Gen

Titel: 253 - Das Terror-Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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Jenny und Ann. Warum gerade nach diesen beiden? Sie gehörten doch gar nicht zu den Technos. Hatten sie nicht den Bunker noch am Tag des EMP verlassen? Mit diesem Hünen… wie hieß er noch? Pieroo, genau. Merylbone war der Letzte gewesen, der mit den dreien gesprochen hatte. [4] Nach Norden waren sie gegangen, hatte er ihr später berichtet. Aber war das denn wichtig? Großer Gott es war so anstrengend, sich nicht in den Erinnerungen zu verlieren. Den hauchdünnen Pfad der Klarheit nicht zu verlassen. Doch Commander Drax fragte nach der Frau und dem Kind. Also musste sie ihm antworten. Musste ihn wissen lassen, dass sie nicht vollständig verrückt war. Musste ihn warnen…
    Mit aller Gewalt riss sie die Augen auf. Packte sein Handgelenk und nahm sich vor, es nie wieder loszulassen. Sie sah, wie der blonde Mann vor ihr zurückwich. War ihr Anblick so Furcht erregend? Hatte der Kalte Hauch sie schon verwandelt? Sie musste schnell sein. Schneller als er .
    Doch die Worte quälten sich durch ihre Kehle, als ob ein Draht ihren Hals zuschnüren würde. Und schon erhob sich der Schatten im Rücken von Matthew Drax. Sie hatte keine Chance. Entweder zurück in die Dunkelheit oder sich dem Kalten Hauch ausliefern. Schon durchzog seine bohrende Kälte Schulter und Arm. Sie krümmte sich unter Schmerzen.
    Wozu sich noch plagen, um für einen Augenblick bei Verstand sein zu können? Wozu sich erinnern? Wozu Fragen beantworten nach Menschen und Dingen, die in Vergessenheit geraten werden, so wie sie selbst oder wie die goldenen Zeiten der Community?
    Sie wollte nicht mehr daran denken. Nicht an Jenny, nicht an den Bunker in London, nicht an die Lords und nicht an Sir Leonard, der sie auf diese verfluchte Insel gebracht hatte. Diese Insel mit all ihren Monstern. Ihr fehlte damals der Wille, das nahende Unglück aufzuhalten. Heute fehlte ihr die Kraft, gegen das Unvermeidliche zu kämpfen. Sie würde so oder so sterben. Warum also noch leiden?
    So zog sie sich wieder in die dunklen Ecken ihres kranken Geistes zurück. Hin und wieder noch streiften Erinnerungsfetzen ihr krankes Gemüt. Darin tauchte das »Halbblut« auf und der Turm und der Kalte Hauch . Und während sich die ehemalige Queen durch die finsteren Abgründe ihrer monströsen Gedankenwelt kämpfte, begriff der winzige Teil Restverstand in ihr, dass sie niemals mehr jemanden würde mitteilen können, was damals wirklich geschehen war…
    ***
    12. September 2522, Guernsey
    Noch war das Licht des anbrechenden Morgens zu schwach, um die ganze Pracht der Le Grand Havre Bay im Norden von Guunsay zu erleuchten. Dennoch machte sich im Hinterland eine einsame Gestalt auf den Weg zum Strand, an dem sie gestern - mehr oder weniger unfreiwillig - angespült wurde.
    Es handelte sich um Sir Leonard Gabriel. Ein großer Mann mit breiten Schultern und einem kantigen Gesicht, das fahl und alterslos wirkte. Nur die tiefen Furchen, die quer über die Stirn verliefen, ließen erahnen, dass der ehemalige Prime von Salisbury älter war, als er aussah. Tatsächlich würde er in weniger als zwei Monaten seinen einhundertachten Geburtstag begehen. Zumindest hoffte er das.
    Mit federnden Schritten verließ er den Hügelkamm, von dem aus er sich einen Überblick der Umgebung verschafft hatte. Er trug eine dunkle Jacke, die in besseren Tagen zu seiner Feiertagsuniform gehört hatte. Die dazu passende Leinenhose schlotterte um seine langen Beine. Sein haarloser Schädel war von dicken blauen Adern überzogen und seine Augen waren so grau wie die Kieselsteine unten am Strand.
    Im Vorübergehen pflückte er eine wilde Tomate von einem Busch. Gierig biss er hinein. Wenigstens verhungern werden wir nicht. Er warf einen fast grimmigen Blick auf die üppige Vegetation, die ihn umgab. Wohin das Auge reichte, ragten Obst- und Feigenbäume, Palmen und Beerensträucher aus dem Boden. Und überall diese Tomaten.
    Leonard hatte viel über dieses Fleckchen fruchtbarer Erde gelesen. Ein Hügelland mit bewaldeten Tälern und Ebenen, die bunten Gärten glichen. Kleine Buchten mit Stränden und Dünen aus feinem Sand. Steilküsten, besonders im Süden. Licht, so klar wie Kristall. Ein mildes Klima. Einst wohl fast mediterran, durch den Einfluss des Golfstroms. Doch nach dem Einschlag des Kometen hatte sich das anscheinend geändert. Leonard hatte von strengen Wintern gehört, die die Kanalinsel mit Eis und Schnee überzogen. Nur im Sommer herrschten hier höhere Temperaturen als auf dem Festland.
    Während seine

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