253 - Das Terror-Gen
daran, eine Suppe zu kochen. Während er die gefangenen Fische ausnahm, hörte er Victoria stöhnen. Er hatte ihr nach Aruulas Zusammenbruch eine Kräutertinktur eingeflößt, die sie nach Minuten in Tiefschlaf versetzte. Scheinbar ließ die Wirkung des Mittels jetzt nach.
Doch als er nach ihr schaute, stellte er erleichtert fest, dass sie immer noch schlief. Regelmäßig hob und senkte sich ihr Brustkorb. Nur ihre Augäpfel flatterten unruhig unter den geschlossenen Lidern. Als ob sie auf der Flucht wäre. Hin und wieder entwichen jammernde Laute ihren bleichen Lippen. Sein Blick blieb an ihrem blonden Haarschopf hängen: lange, verfilzte Locken umkränzten ihr eingefallenes Gesicht.
Als er ihr das erste Mal vor vielen Jahren in Britana begegnet war, hatte sie noch eine Glatze gehabt; ein Merkmal fast aller Technos zu jener Zeit. Erst mit dem Immunserum des Weltrats, mit dem sich die Bunkermenschen endlich wieder ohne Schutzanzug an die Oberfläche wagen konnten, hatte sich das geändert.
Die Serumsproduktion war nach dem EMP nicht mehr möglich gewesen, und Matt hatte schon befürchtet, dass keiner der Technos überleben würde. Andererseits war er auf seiner Reise quer durch die USA - Meeraka - damals Technos begegnet, die die Immunschwäche aus eigener Kraft überwunden hatten. [3] Auch bei vielen Mitgliedern der Communities schien das eingetreten zu sein. Zum Verhängnis wurde ihnen stattdessen, sofern sie den Bunker überhaupt lebend verlassen konnten, die gnadenlose Welt außerhalb ihrer unterirdischen Mauern. Ohne ihre Technik waren die Bunkerleute den Mutationen, wilden Tieren und den Barbaren, die sie so lange unterdrückt hatten, fast wehrlos ausgeliefert. Nur die Stärksten überlebten!
Matthews Herz wurde schwer bei dem Gedanken, welches Blutvergießen im und außerhalb des Bunkers stattgefunden haben musste. Ob seine Tochter Ann und deren Mutter Jenny zu diesem Zeitpunkt noch in London gewesen waren? Hoffentlich nicht! Und wenn doch…? Bisher hatte er es nicht über das Herz gebracht, Aruula danach zu fragen.
Nachdenklich glitt sein Blick über die Gestalt der ehemaligen Queen: Von ihr etwas über Jennys und Anns Schicksal zu erfahren schien ziemlich aussichtslos. Wie ein Geist lag sie auf den faltigen Laken. Nichts in ihrem ausgemergelten Körper schien sich mehr dem Wahnsinn entgegenstellen zu wollen.
Wehmütig erinnerte er sich an bessere Zeiten. Als Victoria stolz und mit Umsicht die Geschicke der Londoner Community lenkte… und ihm damals sogar Avancen machte. Ihr Anblick jetzt löste gleichermaßen Entsetzen und Wut in ihm aus. Unfassbar, was diese einst so schöne und kluge Frau alles durchgemacht haben musste.
Er bückte sich nach einem Tuch und setzte sich neben sie auf die Bettstatt. Behutsam tupfte er ihr den Schweiß von der Stirn. War ihr Wahnsinn eine Folge der Misshandlungen durch die Lords? Oder war es - was immer dieses »es« sein mochte - erst während ihres Aufenthaltes auf der Insel geschehen? Durchaus möglich, sogar wahrscheinlich, dass es mit den Versteinerungen zusammenhing. Doch warum war Victoria nicht erstarrt wie alle anderen? Fragen über Fragen…
»Du könntest sie mir beantworten, Victoria«, murmelte er leise. »Du könntest mir auch sagen, ob Jenny und Ann noch am Leben sind.« Das Tuch an ihrer Wange, beugte er sich über ihr Gesicht. »Vielleicht weißt du sogar, wohin sie gegangen sind«, flüsterte er.
Mit einem Mal riss die Lady die Augen auf. Griff nach ihm. Zerrte an ihm. So überraschend, so schnell, dass Matt vor Schreck beinahe von der Kante des Lagers gerutscht wäre. Wie eine Ertrinkende umklammerte die Kranke sein Handgelenk. Mit einer Kraft, die er der schmächtigen Person nicht einmal im gesunden Zustand zugetraut hätte. »Nach Norden«, krächzte sie. »Sie sind…« Jäh brach sie ab. Mit unnatürlichem Blick fixierte sie einen Punkt in seinem Rücken. Dann verdrehte sie die Augen und ihre Finger glitten von ihm ab wie glattes Seidentuch.
***
War es seine Stimme? War es der warme Atem auf ihrer Haut? Victoria Windsor wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie an die Oberfläche gelangen musste. An die Oberfläche dieser Dunkelheit, in die sie sich geflüchtet hatte. Es gelang ihr, den verstörenden Hirngespinsten, die sie umzingelten, zu entkommen. Die Stimme wurde immer deutlicher. Kein Zweifel: Es war Commander Drax, der mit ihr sprach! Er und die Barbarin hatten sie also nicht aufgegeben. Noch war sie nicht verloren!
Er fragte nach
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