2542 - Perry Rhodan - Shandas Visionen
Das war
nicht ihre Hand, der blutende Arm gehörte ebenso wenig zu ihr.
Vincente Jorge Suelo, das achte Kind
terranischer Flüchtlinge. Geboren am
23. Juli 1428 alter Zeitrechnung, Triebwerksingenieur. Nach mehreren Jahren
bei Whistler-Stardust & Co. zur Flotte
übergewechselt. Nicht mit einer Frau
liiert, aber dennoch ein unruhiges Privatleben ...
Dieses Wissen war plötzlich da, und
das war eine völlig neue Erfahrung für
sie. Ebenso wusste sie vieles über
Khart. Er war drei Jahre älter als sein
Cousin, und die beiden hatte immer
schon eine gewisse Hassliebe verbunden.
Entsetzt fragte sich Shanda, was mit
ihr geschehen war.
Als Unbeteiligte war sie in die Auseinandersetzung zwischen Angehörigen zweier Großfamilien geraten. Und
das nur, weil sie aus der Distanz heraus
versucht hatte, die Eskalation zu verhindern?
Befand sie sich nicht mehr an Bord
des Gleiterbusses? Sie sah durch Vincentes Augen, spürte seinen Körper,
kannte seine innigsten Empfindungen ... Aber sie selbst, ihr eigener Körper?
Panik stieg in ihr auf, die Furcht, für
immer in diesem fremden Ich gefangen
zu sein. In dem Moment wollte sie zurück, nur zurück.
Aber nichts veränderte sich für sie.
Vincente schnellte nach vorn. Shanda erkannte seine Absicht im selben
Moment. Vergeblich stemmte sie sich
gegen diesen Angriff, ohne indes verhindern zu können, dass Vincente die
Figur hochriss und mit aller Kraft zuschlug.
Khart wurde das Messer aus der
Hand geprellt. Mit einem wütenden
Aufschrei hebelte er seinen Cousin
über sich hinweg.
Shanda verkrampfte, als sie rückwärts aufschlug, doch sie konnte den
Körper nicht beeinflussen. Vincente
reagierte instinktiv, er zog die Beine an
und trat zu. Allerdings streifte er Khart
nur an der Hüfte.
Im nächsten Moment rollten sie ineinander verkrallt über den Boden.
Kharts Finger gruben sich in Vincentes
Gesicht. Der versuchte verzweifelt,
Khart auf Distanz zu halten, indem er
ihm den Unterarm unters Kinn rammte.
Bei beiden lagen die Nerven blank.
Was sich in dem erbitterter werdenden
Zweikampf entlud, hatte sich seit Tagen aufgestaut, und zweifellos war die
Entwicklung im Stardust-System dafür verantwortlich.
Katarakt spielte dabei eine Rolle.
Ausgerechnet Katarakt. Seit dem Tod
ihrer Eltern hasste Shanda diese
Welt.
In den letzten Wochen war von Katarakt fast überall die Rede gewesen.
Diese seltsame Stadt – Shanda hätte
nicht zu sagen vermocht, ob sie nun
greifbar war oder nicht, und es hatte
sie eigentlich auch nie interessiert –
hatte erst ein Heer von Angreifern ausgespuckt und war dann verschwunden.
Und irgendein Schutzschirm hatte sich
um das Stardust-System aufgebaut.
Vincente wusste von fremden Raumschiffen, die wie geschliffene rote Kristalle aussahen. Shanda erschrak, als
sie jetzt erfuhr, dass diese Schiffe offenbar im Begriff gewesen waren, in
das System einzufliegen und anzugreifen, davon war Vincente überzeugt.
Und nur der Schutzschirm hinderte sie
daran.
Vincente wollte, dass die Familie
nach Talanis flog, der Insel im Nebel. Nur dort können wir sicher sein, schrien seine Empfindungen. ES muss
dort sein – alles andere wäre verrückt.
ES wird uns helfen ...
Khart war jetzt über ihm. Mit beiden
Händen packte er zu und zerrte ihn in
die Höhe.
»Wir fliehen nicht!«, stieß Khart
schwer atmend hervor.
Sein kurzer, heftiger Hieb bohrte
sich in Vincentes Magengrube. Shanda
würgte, ihr wurde schwarz vor Augen.
»Wenn die Angreifer kommen, werden wir uns verteidigen. Die Suelo
haben immer den Kampf gegen Unterdrücker aufgenommen.«
Der nächste Hieb. Khart ließ den
Cousin aus und schlug ihm mit dem
Handrücken ins Gesicht. Vincente
schwankte. Doch bevor er in sich zusammensank, packte Khart wieder zu,
verkrallte die Hand im Kragenausschnitt.
»Wir bleiben in Stardust City! Hast
du verstanden, Vince? Wenn es sein
muss, sterben wir hier – aber wir fliehen nicht. Und wir suchen nicht bei ES
Beistand, als wären wir eine verängstigte Schafherde.«
»Du ... bist ... verrückt«, ächzte Vincent. »Wir werden ... sterben, wenn wir
nicht fliehen.«
Khart stieß ihn heftig von sich. Vincente schaffte es noch, zwei,
drei hastige Schritte rückwärts das Gleichgewicht zu halten,
aber letztlich verlor er doch das Gleichgewicht und stürzte.
Shanda spürte noch einen grellen
Schmerz, dann wurde es dunkel.
*
Ein helles, undefinierbares Rauschen
umfing sie – und dieser Zustand war
für sie wie ein
Weitere Kostenlose Bücher