2542 - Perry Rhodan - Shandas Visionen
sich selbst, vor allem
aber vor ihren quälenden Träumen. Sie
fürchtete den kommenden Tag. Sechs
Jahre lag dann schon der Tod ihrer Eltern zurück.
Und im letzten Jahr? War sie da ähnlich aufgewühlt und unruhig gewesen?
Sie gestand sich ein, dass sie das nicht
mehr wusste. Aber wahrscheinlich
fühlte sie sich mit jedem Jahr mieser
– je besser sie verstand, weshalb sie ihre Eltern damals zu dem waghalsigen
Ausflug in die Bergwildnis überredet
hatte.
Es waren nur wenige Meter bis zur
nächsten Liftkabine.
Das Zugangsschott hatte sich hinter Shanda noch nicht wieder
vollständig geschlossen, da glitt es abermals auf. Ein Unither
folgte ihr. Die kräftige, plump wirkende Gestalt mit dem unruhig
pendelnden Rüssel konnte nur ein Unither sein. Shanda hatte nie
zuvor einen Angehörigen dieser Volksgruppe aus der Nähe
gesehen. Wie viele Unither auf Aveda lebten, war ihr unbekannt. Wohl
kaum mehr als eine Handvoll, falls überhaupt.
»Heute scheint es wirklich nicht
richtig hell zu werden«, sagte das Wesen dumpf.
Shanda wiegte stumm den Kopf.
Ihr Gegenüber stieß ein eigenartiges
Keuchen aus. Er krümmte das vordere
Rüsselende und stocherte mit einem
Finger darin herum.
Ein Hauch von Unwohlsein oder gar
Ekel ging von ihm aus.
»Wenn du das verabscheust, warum
tust du es eigentlich?«, fragte Shanda
verwirrt.
Sein Erschrecken war heftig. Scham
und Entsetzen ließen den Unither innehalten und sich abwenden.
»Ich ... Es tut mir leid, dass du das
sehen musstest«, murmelte er kaum
verständlich.
»Ich wollte dich nicht zurechtweisen«, sagte Shanda stockend.
»Nein, nein, ich muss mich entschuldigen. Im Rüssel zu bohren ist unverzeihlich. Aber heute ... mir fällt das
Atmen schwer. Die Luft ist so drückend.«
»Mir geht es ähnlich«, wollte Shanda sagen. Sie biss sich gerade noch auf
die Zunge, denn warum hätte sie einem
Fremden das eingestehen sollen? Nicht
einmal Herman wusste, was in ihr
vorging.
Das Schott stand schon wieder offen, und Shanda ging wortlos davon.
Der Unither war ihr sogar dankbar dafür.
Er ist ein seltsames Geschöpf, auf
seine Weise kaum weniger einsam als
ich.
In den ersten Tiefgeschossen wurden
die unglaublich schwarzen Nächte bedeutungslos. Im Laufschritt, den Blick
zu Boden gerichtet, eilte Shanda weiter. Wenn sie die Menschen nicht sah,
ertrug sie deren Nähe am besten. Ignorieren, keinem ins Gesicht schauen,
das hatte sie längst gelernt. Nur war
das keineswegs ein Allheilmittel für
ihr Problem.
Als Shanda den Umsteigeplatz der
Röhrenbahn vor sich sah, wurde ihr
bewusst, dass sie die falsche Richtung
eingeschlagen hatte. Alles war laut
und unangenehm. Im Minutenabstand
brachten die grell lackierten Waggons
Arbeiter aus ganz Stardust City heran.
Es gab kaum Abgrenzungen durch
Akustiksperren. Lautsprecherstimmen überlagerten sich gegenseitig. Es
roch nach Ozon, nach Desinfektionsmitteln und den vielfältigen Speisen,
die im Säulenwald des Gastrobereichs
ausgegeben wurden. Dicht drängte
sich die Menge an den Stehplätzen,
und überall wuselten Reinigungsroboter.
Shanda war stehen geblieben. Kaum
einen der Menschen, die an ihr vorüberhasteten, interessierte noch, was
mit dem Himmel über Aveda geschehen war. Nur bruchstückhaft schnappte sie Empfindungen auf. Die Leute
fühlten sich sicher, solange die Sonne
den Tag erhellte und wenigstens für
einen Teil der Nacht die beiden Monde
des Planeten ihre Bahn zogen.
Shanda verstand diese Gleichgültigkeit nicht. Merkte denn niemand, dass
da mehr lauerte als nur Schwärze?
Zeit für die Nachrichtenholos. Eine
der übergroßen Projektionen entstand
in Shandas Nähe. Hunderte Frauen
und Männer blieben interessiert stehen
und ließen sich von der Wiedergabe
gefangen nehmen, nur wenige hasteten
weiter.
Der Sternenhimmel erschien in dem
Holo. Genau so, wie Shanda das gleißende Funkeln in Erinnerung hatte:
eine überwältigende Lichtfülle.
»... willkommen zu unserer morgendlichen Diskussionsrunde.«
Ein übermäßig stark geschminkter Moderator
lächelte in die Runde. »Wie üblich bieten wir in den
kommenden Stunden das Für und Wider. Jeder Zuschauer ist aufgefordert, sich mit seiner Sicht der Dinge einzubringen.
Auch heute weise ich darauf hin,
dass nur ein Bruchteil der eingehenden
Beiträge veröffentlicht werden kann.
Jedoch wird jede Meinung wahrgenommen und gezählt. Stardust-News
steht seit Jahrzehnten für den Konsens
aus der Vielfalt – und der Erfolg gibt
uns
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