2558 - Perry Rhodan - Die Stadt am Ende des Weges
empfinden?
Der Terraner betrachtete eine Nomadin, die mit ruhigen Handgriffen einen Tierkadaver
zerlegte.
Er spann seinen Gedanken weiter.
Selbst wenn die Sehnsucht, die sie ausstrahlten, von den Proto-Enthonen kommen sollte, war es
genauso wahrscheinlich, dass sie diese Empfindung von ihrer Herrin mit auf den Weg erhalten
hatten.
Aber weshalb?
Als Ausdruck von Samburi Yuras eigener Sehnsucht, die sie auf diese Nicht-, diese Vor-, diese
Proto-, Kunst- ... Pseudo-Enthonen gespiegelt hatte?
Saedelaere schloss die Augen. Er ließ den Eindruck auf sich wirken.
Wie oft hatte er sich gefragt, wie es in Samburi Yuras Innerem wohl aussehen mochte. Sie, die
letztgeborene Enthonin, die die Hoffnung ihres gesamten Volkes in sich getragen hatte.
Viele Enthonen hatten geglaubt, dass in ihr DAS LICHT VON AHN wiedergeboren sei. Sie hatte dem
aussterbenden Volk den Glauben an die Zukunft zurückgegeben.
Als die Kosmokraten als Gegenleistung für ihre Nichteinmischung in die Tätigkeiten der
Friedensfahrer Samburi Yura eingefordert hatten, war sie freiwillig an Bord der LEUCHTKRAFT
gegangen.
Diese Tat hatte sich tief in Saedelaeres Denken eingebrannt. Er wusste nicht, wie er sie
einstufen sollte. Hatte sie damit ihrem Volk einen Gefallen getan oder ihm geschadet? Hatte sie
gar egoistisch gehandelt, um als Herrin der LEUCHTKRAFT die Wunder des Kosmos zu erleben?
Die eigentliche Frage war aber, was mit der letzten Enthonin geschehen war, seit sie an Bord
der Kosmokratenwalze ging.
Hatte sie - um in biblischen Bildern zu denken - für ein wahrscheinlich unsterbliches, von
Wundern durchdrungenes Leben ihre Seele verkauft?
Sie hatte auf ihn stets den Eindruck eines höher stehenden Wesens gemacht. Aber war sie
deshalb gefühloder gar ... seelenlos? War das der Preis, den Diener der Kosmokraten zu
zahlen hatten? Hatten nicht auch die Diener der Materie ihr Dasein reduziert, zugespitzt und
schließlich alles verleugnet bis auf einen Charakterzug, eine Obsession?
Vermisste sie ihr Volk? Verdammte sie ihre Wahl? Haderte sie damit, dass sie nicht aufgehalten
worden war? Wünschte sie sich, nichts als eine
Enthonin - die Hoffnungsträgerin ihres Volkes - zu sein?
Alaska Saedelaere hatte stets gewusst, dass nur die Kosmokratenbeauftragte selbst ihm diese
Fragen würde beantworten können.
Das war gewesen, bevor er das Reservat erreicht hatte, in dem die Proto-Enthonen
lebten.
Plötzlich glaubte Alaska Saedelaere ganz genau zu verstehen, von welchen Gefühlen Samburi Yura
durchdrungen gewesen war, als sie diese Welt in der Welt erschaffen hatte.
Trauer. Sehnsucht. Einsamkeit.
Und noch etwas verstand der Maskenträger in diesem Augenblick: Das Reservat war eine Art zum
Leben erwecktes und mit Leben gefülltes Tagebuch, das nicht ihre Gedanken, sondern ihre Gefühle
zeigten. Das Reservat bildete eine absolute Ausnahme in der LEUCHTKRAFT, denn es gehörte Samburi
Yura ganz allein.
Weder die Besatzung noch der scheinbar allmächtige Bordrechner DAN besaßen das Recht, in die
Welt der Proto-Enthonen einzudringen.
Wahrscheinlich wussten sie nicht einmal von ihr.
Der Maskenträger öffnete die Augen.
Falls seine Gedankenkette stimmte, hatten die Figuren aus dem Wunderland seine Schritte nicht
grundlos hierhin gelenkt. Er war hier, weil Samburi Yura es zugelassen - es so gewollt hatte.
Nun musste er nur noch herausfinden, aus welchem Grund dies geschehen war.
Wahllos ging er auf eine Proto- Enthonin zu. Die fast knabenhaft schlanke Frau saß im
Schneidersitz vor der Hütte. Mit einer langen Rute schlug sie auf ein Stück Leder ein.
»Wie heißt dieses Dorf?«, fragte er in der Sprache der Mächtigen.
Die Frau blickte ihn freundlich und aufmerksam an, schwieg aber.
Saedelaere wiederholte seine Frage. Wieder erhielt er keine Antwort.
Er wandte sich ab und trat auf eine junge Frau zu, die in ihren feingliedrigen Händen einen
Vogel hielt. Ein Flügel ragte zwischen zwei lilienweißen Fingern hervor. Das Tier wand sich
heftig. Unter seinen Brustfedern pulsierte das Herz von panischer Hast getrieben.
»Kennst du Samburi Yura?«
Die Proto-Enthonin verzog ihre dünnen Lippen zu einem Lächeln - und ging weiter. Alaska
Saedelaere versuchte sein Glück bei anderen Dorfbewohnern, doch die Reaktion war stets dieselbe:
freundlich, aber ergebnislos.
Ein junger Mann war der Erste, der wenigstens die Spur einer Hilfestellung bot. Er wandte den
Kopf ab, worauf sein Kinn einen
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