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2576 - Tor nach Terra

2576 - Tor nach Terra

Titel: 2576 - Tor nach Terra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Castor
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aufblitzen. »Erst recht nicht, wenn es im Auftrag von ES passiert.

Müsstest du doch eigentlich wissen, Metallskelett.«
    Rico versteifte sich etwas. »In der Tat.«
    Ich grinste matt und stellte eine Funkverbindung zur ATLANTIS her. »Alles in Ordnung, Leute.

Schafft ein paar wirkungsvolle Fesselfeldprojektoren her. Rico weist euch ein.«
    »Verstanden.«
    Tovi schlich unterdessen umher, sah sich um, wedelte aufgeregt mit den Ohrenhänden und zischte

wiederholt: »Mann, Mann, Mann ...«
    Rico legte den Kopf schräg, sah vom Laosoor zu mir und wieder zurück. »Deine Fähigkeit, dich

mit den absonderlichsten Freunden zu umgeben, bestätigt sich einmal mehr.«
    Ich lachte. Das Eingeständnis, dass mir der Roboter, mein Vertrauter, Helfer und letztlich

auch Freund, gefehlt hatte - irgendwie und trotz allem, was seit meinem letzten

Tiefschlaferwachen passiert war -, fiel mir erstaunlich leicht. Nein, ich vermisste nicht die mit

der Kuppel ebenfalls verbundenen Zwänge, die Jahrtausende des Wartens und Hoffens und der

Verzweiflung nach wiederholten Versuchen, der Barbarenwelt zu entkommen. Aber mit ihr verbanden

sich nun mal unendlich viele Erinnerungen ...
    Der Aufruhr in meinem Kopf, verursacht von den emporschießenden Bildern des fotografischen

Gedächtnisses, war nur schwer zu bändigen. Ungezählte Erinnerungen waren mit den zehntausend

Jahren Verbannung auf Larsaf III verbunden. Mir war, als träfe mich eine Dampframme, ich fühlte

mich zerquetscht und zerschmettert. Es ist zu viel, viel zu viel!
    Kein Unsterblicher wie ich konnte mit seiner Last zahlloser Erlebnisse, der Niederlagen,

glücklichen Momente, überstandenen Gefahren, Begierden, Leidenschaften, großen Enttäuschungen und

kleinen Triumphen existieren wie ein kurzlebiger Mensch: normal und unbeeindruckt.
    Zwangsläufig entsteht eine harte Schale, schützt die Vielfalt, wird zum Panzer, der, wie

ein Baum durch seine Jahresringe, mit jedem Jahr dicker, fester und undurchdringlicher wird, brüllte meine innere Stimme, während für Augenblicke Fartuloon in meinem Blickfeld auftauchte und

mir den kleinen Omirgos an die Stirn presste.
    Es glich einem blendenden Licht, einer schrillen Kadenz, einem Hitze- und Kältestoß zugleich,

einer stechenden Schmerzwelle ohne Beispiel. Bilder stiegen blitzschnell auf, sprengten die

Hülle, überschwemmten mich mit einer aufschäumenden Welle, raubten mir den Atem, drohten mich zu

überwältigen.
    Ich sah blutig wallende Nebel, war von kochender Hitze umgeben, wohin ich mich auch wandte,

und versuchte den Episoden zu entgehen, die zusammenhanglos Gestalt gewannen. Bilder, Geräusche,

Düfte, vielfarbig, vermischt mit Gefühlen und Gedanken; Angst, Glück, Leidenschaft, Ekel, Hass,

Liebe, Hoffnung. Leid, Not, Elend, Verzweiflung.
    *
    Ich sehe Rom brennen und Troja fallen. Ich sehe selbst ernannten Gottkönigen bei Gelegenheiten

in die fiebrigen Augen, in denen sie gar nichts »Göttliches« an sich haben. Die Bilder von

Herrscherirrsinn und Sklavenelend, die ich aus hautnahem eigenem Erleben kenne, wechseln mit den

Freunden, die ich gewonnen und verloren habe, im Verlauf der Jahrtausende.
    Es sind bestürzende Eindrücke, plastisch, mit Geruch und Geschmack. Da der Gestank

abgefeuerter Schiffsgeschütze, kombiniert mit salziger Meeresbrise, dort das exotische Parfüm

einer Dame aus Venedig, mit dem sie strenge Körperausdünstungen zu überdecken versucht.
    Es gibt letztlich keine gewaltigen Schlachtengemälde in den Bildern. Pathos, heroische

Heldentaten, die »gute alte Zeit«? Es gibt sie nicht, hat es nie gegeben. Bei aller Verdrängung

und zwangsläufigem Vergessen - ich lebe zu lange, um Illusionen aufzusitzen.
    Ich hebe am Hang eine Grube aus und bette meinen letzten Begleiter darin, bedecke ihn mit Erde

und wälze einen großen Stein darüber. Der Fluss macht an dieser Stelle eine scharfe Krümmung,

Felsen begrenzen den Durchlass zu beiden Seiten; vor den schwarzen Wänden bewegen sich

Nebelfetzen.
    Rico riecht genießerisch am Weinpokal, der Text der Säulen der Ewigkeit wirbelt

vorüber: »Ich bin Menes, und so sage ich: Ich bin über dieses Land gekommen, das uneins war in

seinen zehn mal zwanzig Stämmen. Aus dem Schöpfer, Atum, Wasser der Finsternis, und seinen

Kindern Shu und Tefenet, aus Geb und Nut...«, während Gesteinssplitter unter den Meißeln

davonspritzen, als Hammurabis Gesetze eingeschlagen werden.
    »Ave, Imperator!

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