2578 - Das mahnende Schauspiel
zum Verräter am Reich der Harmonie«, vollendete Saedelaere Vetris Erzählung. »Es
geriet zwischen die Fronten der Hohen Mächte und fiel schließlich der Vernichtung anheim.«
»Du kennst das Schauspiel bereits, Alaska? Weshalb hast du so getan, als wärst du
unwissend?«
Nun war es am Maskenträger, der Frau ein Lächeln zu schenken. Bisher war sie wie die
Verkörperung von Selbstsicherheit und Souveränität aufgetreten. Nun glaubte er zum ersten Mal,
hinter diese Maske sehen zu können.
»Ich kenne das mahnende Schauspiel nicht«, gab er zu. »Aber ich kenne unzählige Geschichten
von Hilfsvölkern, die den Tanz mit den Hohen Mächten des Kosmos teuer bezahlt haben. Ich
entstamme selbst einem Volk, das mehrmals zwischen die Fronten höherer Wesenheiten geriet und
beinahe ausgelöscht worden wäre.«
»Interessant«, sagte Vetri langsam. »Dann hat sich dein Volk also von den Hohen Mächten
losgesagt, um dieser Gefahr ein für alle Mal zu entgehen?«
Saedelaere lächelte im Schutz seiner Maske. »Nein. So weit ist es noch nicht.«
»Wie hältst du 's mit den Hohen Mächten?«, fragte Vetri.
»Ich kenne mich mit der Problematik aus«, wich Saedelaere aus. »Was mich interessiert: Gab es
dieses Reich der Harmonie tatsächlich?«
Vetri legte den Kopf leicht schief. Dann eroberte das Lächeln ihr Gesicht zurück. »Es ist eine
Parabel, Alaska. Ungebunden an tatsächliche Ereignisse. Nur so kann sich den Zuschauern seine
mahnende Botschaft erschließen.«
»Wann findet die Vorführung statt?«, fragte der Maskenträger.
»Schon bald.«
*
»Mein Instinkt sagt mir, dass dieses Reich der Harmonie existiert hat«, sagte Saedelaere.
Sie saßen in zwei sackähnlichen Sesseln in ihrer Suite. Eroin Blitzer hielt die Arme
verschränkt. Er blickte zum Panoramafenster hinaus.
Über der Theaterstadt wölbte sich ein dunkler werdender Himmel. Die schwebenden Leuchtelemente
verstrahlten nur noch schwaches Licht.
»Ich habe den Begriff überprüft«, sagte der Zwergandroide. »Er existiert nicht in unserem
Datenreservoir.«
Saedelaere deutete zur Decke. »Vielleicht erfahren wir mehr über das
Informations-Terminal.«
Der Beherbergungsdirektor hatte sie kurz in der Bedienung der Schnittstelle zum Hauptrechner
der Theaterstadt unterwiesen.
Auf Saedelaeres Zeichen hin lösten sich zwei leicht gewölbte Terminals von der Decke der Suite
und sanken auf ihre Knie. Der Maskenträger stellte die Verbindung mit dem Hauptrechner her.
»Der Suchbegriff Reich der Harmonie zeitigt nur im Zusammenhang mit dem mahnenden
Schauspiel Treffer«, murmelte er. »Dabei kennen wir vergleichbar metaphysisch erhöhte Begriffe
durchaus von mehreren positiven Superintelligenzen - Reich des Glücks, beispielsweise. Davon ist
der Terminus Harmonie nicht besonders weit entfernt.«
Stumm glitten seine Finger über die Sensorfelder. Auf dem hochgeschobenen Innendisplay
übersetzte ihm der SERUN die Texte und unterstützte ihn bei der Navigation.
»Was suchst du, Alraska?«, fragte Eroin Blitzer nach einer Weile. Er hatte sein Terminal noch
nicht angerührt.
»Ich suche Informationen zur Theaterstadt selbst«, antwortete Saedelaere, ohne aufzublicken.
»Zeitlinie, Struktur und so weiter.«
»Und nach dem Wirken von Sholoubwa«, mutmaßte Blitzer.
»Exakt.«
Der Zwergandroide sagte mehrere Minuten lang nichts, dann fragte er: »Du findest keine neuen
Informationen?«
Saedelaere seufzte, blickte auf. »Nein. Die Stadt scheint sich dermaßen mit dem mahnenden
Schauspiel zu identifizieren, dass es keinen Platz für die eigene Vergangenheit gibt.«
Eroin Blitzer zog aus einer Brusttasche seines Anzuges einen kleinen silbernen Ring. Er legte
ihn auf die Infofläche und schob ihn dann mit seinen kleinen runzligen Fingern hin und her.
»Nein, nein, nein ...«, murmelte er leise. »Nein ... Ja!«
»Was machst du da?«, fragte der Maskenträger.
»Ich suche einen alternativen Informationsfluss, um mit administrativer Berechtigung die Suche
effektiver zu gestalten.«
»Nein, Eroin!«, befahl Saedelaere entschieden. »Du hackst dich nicht in das Netz der
Theaterstadt!«
Der Zwergandroide blickte auf. Ein seltsamer Ausdruck lag auf seinen verhutzelten
Gesichtszügen. »Weshalb nicht, Alraska?«
»Bisher genießen wir die Gunst unserer Gastgeber«, sagte der Maskenträger. »Deshalb werden wir
uns an die Spielregeln halten und nichts unternehmen, was unsere Suche oder die Teilnahme
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