258 - Chronik des Verderbens
Algen wogten in der leichten Strömung. Sie verflochten sich in bizarren Mustern. Zwei riesige Schnecken krochen am dunklen Grund unter ihnen über vermoostes Gestein.
»Da!« Pozai'don II. deutete nach draußen, zwischen zwei kegelförmig aufragende Steine, die doppelt so groß wie die Qualle waren. »Habt ihr das gesehen?«
Vogler und Mor'tras beugten sich zur Sichtscheibe hin. An der Stelle, auf die Pozai'don wies, war der Boden aufgewühlt. Eine Partikelwolke aus Sand und Pflanzenstücken waberte dort. Vogler erkannte einen Schatten mit mehreren langen Armen oder Beinen, der sich hinter den linken Stein zurückzog.
»Hol die Waffe, Vogler«, ordnete Pozai'don an.
Der Waldmann nickte und machte sich bereit. Er sah, dass auch die anderen Rettungsquallen sich dem Stein näherten. Gemeinsam mit Pozai'don verließ er ihr Gefährt, während Mor'tras die Steuerung übernahm.
Sie schwammen Seite an Seite durch das kühle Wasser. Die Temperatur der Abraumhöhle lag deutlich unter der inzwischen regulierten Temperatur der Stadt.
Pozai'don gab ihm ein Zeichen und Vogler schwamm zur rechten Seite, während der Wächter nach links schwenkte.
Ein gut gezielter Schuss unter den Schnabel und alles ist vorbei , versuchte sich Vogler zu beruhigen. Er fühlte sich nicht wie ein Jäger, obwohl er täglich trainierte und körperlich in Bestform war. Das Exoskelett, das anfangs noch seinen Körper wegen der höheren Schwerkraft gestützt hatte, trug er schon lange nicht mehr. Aber er fühlte sich nicht eins mit dieser bizarren Unterwasserwelt, den langen Algen mit ihren fleischigen Blättern und dem Wasser, das allgegenwärtig regierte. Und er hasste Waffen aller Art.
Er sah unter sich eine Languste davonschwimmen. Mehrere Fische stoben auseinander und versteckten sich in einem nahen Gebäudeteil.
Vogler beschleunigte seine Schwimmzüge. Er stieß um den Stein herum, die Waffe im Anschlag. Er musste nur eine Taste an der Seite drücken, und das Gift würde gleich dem komprimierten Wasser eines Schalldruckgewehrs auf den Gegner abgeschossen werden.
Er kam um den Stein herum - vom Kraken keine Spur! Irritiert sah er zu Pozai'don, der sich von der anderen Seite her näherte.
Der Schatten, den sie gesehen hatten, war verschwunden. Algen und Moos wuchsen auf dem Stein. Zwischen ihnen lag weicher Sand.
Vogler schwamm näher heran, als plötzlich der Sand um ihn her in die Höhe spritzte! Erschrocken ruderte er zurück. Vor ihm arbeitete sich der größte Krebs aus dem Sand, den er je gesehen hatte. Der massige Leib stelzte auf dürren Staken. Die langen Scheren waren tödliche Werkzeuge. Aber der Krebs hatte mehr Angst vor Vogler als umgekehrt. Er wich zurück und starrte ihn aus Teleskopaugen an.
Schon gut. Tut mir leid, dass ich deine Ruhe gestört habe!
Der Baumsprecher machte Pozai'don ein Zeichen. Gemeinsam kehrten sie zu Mor'tras und der Qualle zurück.
***
Hak'don schwamm in dem ungewohnt kleinen Körper über die bunten Muschelwege und Prachtalleen. Die Wege waren zu einer Zeit geschaffen worden, als die Hydriten schwere Lasten von Riesenschnecken und Krebsen ziehen ließen, um die Stadt aufzubauen.
Der Quan'rill in Dra'nis Körper blickte sich wachsam um. Immer wieder sah er Häuser, die von Hydriten bezogen waren. Licht glänzte aus den Öffnungen. Hier und da erklangen Stimmen, ein klickerndes Lachen, Geräusche von Hydriten, die an den verfallenen Häusern arbeiteten oder Trümmer zur Seite räumten, die das gepflegte Bild des Stadtkerns störten.
Was für ein Unterschied zu seinem letzten Besuch! Hak'don schwamm zielstrebig in die Mitte der Stadt, hin zu dem Bereich, in dem sich das leer gepumpte Labor der Marsianer befand. Durch Dra'nis Erinnerungen wusste er, dass sich dort ein Geschöpf namens Vog'ler aufhielt, das vom Mars kam und an einer Waffe arbeitete, um einen Kraken unschädlich zu machen.
Dieser Vog'ler sollte Gilam'eshs Geist gemeinsam mit einem Menschen namens Yann und einer Frau seiner Art in die Stadt gebracht haben. Oder war Yann erst später mit einem anderen Menschen angekommen? Dra'nis' Kenntnisse wiesen Lücken und Unsicherheiten auf.
Leider wusste der junge Hydrit auch nur sehr wenig über den großen Propheten Gilam'esh. Hak'don erhoffte sich von diesem Vog'ler eine genauere Auskunft. Er wusste um das gute Verhältnis des Marsianers zu dem Jungen. Vog'ler würde bestimmt keinen Verdacht schöpfen, wenn er ihn besuchte und ihm unauffällig ein paar Fragen stellte.
Der Hydrit wollte eben
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