258 - Chronik des Verderbens
aufwachen!«
»In zwei Wochen ist es vorbei, Yann. Noch ein paar Bestrahlungen, dann hat die Quantaskugel den Tumor vernichtet.«
»Ich hasse diese Bestrahlungen! Ich fühle mich danach jedes Mal wie ausgekotzt! Manchmal denke ich, es wäre besser, sich gleich an einem Kugelfisch zu bedienen!«
Clarice musste ein Lächeln unterdrücken. Yann jammerte ständig in dieser Art, aber er meinte es nicht wirklich ernst. Im Gegensatz zu früheren Lebensabschnitten, in denen er tatsächlich hatte sterben wollen, tröstete er sich damit, den Ärger über seine Lage an Clarice auszulassen.
»Soll ich dir ein Schlafmittel bringen?«, flötete Clarice liebenswürdig.
Yann sah sie verdutzt an. »Himmel, Clarice, kannst du dich nicht einmal vernünftig mit mir streiten? Ich komme hier unten noch um vor Langweile!«
Die Marsianerin hob eine Augenbraue. »Dann hast du doch, was du willst.«
Yann verzog Mitleid erregend das Gesicht. »Also gut, du marsianischer Drache. Bring mir das Schlafmittel. Bitte gleich die doppelte Dosis.« Mit einem Grunzen schleppte er sich zurück in sein Zimmer auf der Krankenstation. »Ich hoffe nur, das alles ist bald vorbei«, murmelte er, während er davon schlurfte.
Clarice holte eine Kombination aus Schlaf- und Schmerzmittel aus einem extra gesicherten Bereich des Labors. Sie gab Yann nicht die gewünschte doppelte Dosis des Sedativums, sondern die ganz normale Dosierung. Schon nach wenigen Minuten war Yann Haggard eingeschlafen.
***
Skorm'ak wartete ungeduldig auf die Rückkehr seines Adjutanten. Das Warten machte ihn mürbe. Vielleicht hätte er lieber selbst hinunter in die Stadt schwimmen sollen, doch als Anführer des Bundes hatte er das Risiko nicht eingehen wollen. Zumal er Hert'an nicht zu lange mit den anderen Mitgliedern des Bundes allein lassen wollte. Er war sicher, dass die hoch gewachsene Hydritin gegen ihn intrigierte.
Skorm'ak sah zu dem Kind hinüber, das nun in Hak'dons Körper gefangen war. Der Junge schlief tief und fest. Mir'tar hatte sich in seine Nähe gesetzt und stellte sicher, dass er sich nicht von seinen Fesseln befreite, wenn er unbemerkt erwachte.
»Da kommt er!«, rief Lar'az, der an der Röhre Wache hielt.
»Endlich!« Der Meister des Bundes schwamm Hak'don entgegen. »Was bringst du für Neuigkeiten?«
Hak'don begann erst zu berichten, als sie die restlichen Mitglieder des Bundes erreichten. »Es ist alles wahr! Die Stadt ist erwacht. Verwachsene Hydriten bevölkern sie, und Gilam'esh ist im Klonkörper eines Hydritenjungen dort. Eine Marsianerin - Clar'ice heißt sie - züchtet weitere Klone, in die Gilam'esh und E'fah umziehen sollen, sobald sie das Erwachsenenalter erreicht haben. Wenn es so weit ist, wird Gilam'esh die Stadt vermutlich verlassen, um sich dem gesamten Volk der Hydriten zu präsentieren.«
Es herrschte Schweigen im Wartungsschacht. Mir'tar gab einen erstickten Laut von sich.
»Erzähle alles in Ruhe«, forderte Skorm'ak seinen Adjutanten auf. Alle Mitglieder des Bundes lauschten atemlos, während Hak'don im Detail erzählte, was er herausgefunden hatte. Kar'jen berührte immer wieder ihren Scheitelkamm, und Nigz'don presste seine Flossenhände so hart ineinander, dass man das Knacken der Knochen hören konnte.
»Gilam'esh lebt also«, stellte Skorm'ak fest. »Und er ist auf der Seite des Frevlers Quart'ol! Er hat sich Marsianer zu seiner Unterstützung geholt - vielleicht sogar durch den Zeitstrahl, der zum Mars führt! Ihr Wissen wird alles verändern.«
»Wenn wir es zulassen«, sagte Hert'an mit ihrer harten Stimme. Sie klang abgehackt, wie eine Wasserkaskade. »Aber das dürfen wir nicht! Wir müssen unser Volk schützen! Vor diesen Marsianern, vor dem verderblichen Wissen, das Quart'ol ausgegraben hat, vor dem Wächter der Stadt… und vor Gilam'esh. Wir dürfen auch ihn nicht am Leben lassen!«
»Unser Bund trägt seinen Namen!«, klackerte Lar'az zornig. »Wir können ihn nicht töten! Wir wären Mörder an allem, was uns heilig ist!«
»Aber es muss sein! Für das Wohl aller Hydriten!« Hert'ans Stimme war so laut, dass Skorm'ak Kopfschmerzen bekam. »Gilam'esh muss weg! Als Mythos ist er weit nützlicher denn als Reformator!«
Skorm'aks Scheitelkamm verfärbte sich zustimmend, und alle Mitglieder des Bundes sahen ihn erwartungsvoll an.
»Ich bin Her'tans Meinung«, sagte der Oberste bestimmt. »Was wir repräsentieren, weicht schon lange von dem ab, was Gilam'esh unseren Vorfahren gelehrt hat. Er ist ein Anachronismus,
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