258 - Chronik des Verderbens
diesem Moment löste sich der Krake mit einer gewaltigen Bewegung von der Decke - und zuckte gleich wieder zurück, donnerte gegen die Wand.
Was hat er vor? Vogler zielte gewissenhaft und wollte gerade schießen, als sich ein Stein aus der Decke löste. Der Marsianer musste hektisch zurückrudern, um nicht getroffen zu werden.
Wieder warf sich der Krake gegen die Felswand. Es rumorte und polterte. Partikelwolken wurden aufgewirbelt.
Vogler sah nach oben. Der gesamte Felsvorsprung über ihm hing locker an der Decke und stürzte nun Stück für Stück ein!
Er ruderte herum, schwamm so schnell er konnte zum Ausgang der Höhle. Weitere Steine regneten auf ihn herab.
Vor ihm tauchte Pozai'don auf und schwenkte den Handstrahler. »Hierher!«, hörte Vogler ihn klackern. »Die Höhle stürzt ein!«
Die nächsten Bruchstücke kamen zwischen ihnen herunter. Pozai'don warf sich zurück, um ihnen zu entgehen, während Voglers Vorwärtsbewegung zum Stillstand kam.
Im nächsten Moment brach ein großes Stück der Höhlendecke ein. Der Wächter wurde von der Druckwelle aus der Höhle katapultiert, während Vogler gegen eine der Wände prallte. Der Marsianer drückte sich gegen den Fels und schützte seinen Kopf mit den Armen. Trotz des Helms spürte er die Schläge, wenn kleinere Steine gegen ihn prallten.
Nur langsam kamen die Erschütterungen zur Ruhe. Der Eingang war versperrt!
»Pozai'don?« Ohne den bionetischen Handstrahler des Wächters war es stockfinster in der Höhle. Vogler umklammerte die Pflanzenwaffe und lauschte. Vom Kraken war nichts zu hören.
Er muss über mir sein. Vogler richtete die Waffe nach oben aus. Gleichzeitig hielt er die Luft an und lauschte. Außerhalb der verschütteten Höhle glaubte er ein sehr schwaches Klackern zu hören. Pozai'dons Stimme. Der Wächter hatte den Einsturz überlebt.
Was nichts an Voglers Situation änderte.
Er war gefangen hier drin. Eingesperrt mit einer tödlichen Bestie. Pozai'don und Kim'iz würden alles daransetzen, ihn zu befreien. Die Frage war nur, ob der Krake schneller sein würde…
***
Mir'tar sah zu dem reglosen Kind hinüber, das im Körper des erwachsenen Hydriten Hak'don gefangen war. Es war nach wie vor ohne Bewusstsein und die Fesseln saßen fest. Sie gab Lar'az ein Zeichen und beide schwammen lautlos aus dem Schacht ins Freie. Die Zeit drängte.
Die beiden Hydriten umarmten sich. Sie waren schon lange ein Paar, hatten das vor den anderen aber geheim gehalten. Es wurde nicht gern gesehen, wenn Mitglieder des Bundes sich zusammentaten.
Der schmächtige Lar'az legte seine Wange an ihre. Sein dunkelroter Scheitelkamm pulsierte. Wie immer verstand er seine Geliebte ohne Worte. So war es auch gewesen, als Skorm'ak vorhin seine Pläne offenbart und seine Überzeugung bekräftigt hatte. Mir'tar war noch immer zutiefst erschüttert über den Abgrund, der sich vor ihr aufgetan hatte.
»Mir graust vor Skorm'ak«, sagte sie leise. »Als wir damals entschieden, Quart'ol nach Gilam'esh'gad in den Tod zu schicken, war ich dagegen. Doch ich fügte mich der Mehrheit des Bundes. Sie alle wollten den Untergang des dreisten Wissenschaftlers, und wer bin ich, mich allein gegen den Bund zu stellen?«
»Wäre ich damals schon beim Bund gewesen, hätte ich an deiner Seite gestanden«, entgegnete Lar'az.
Mir'tar wusste, dass er ihr bedingungslos ergeben war. Er liebte sie mehr als sein Leben. »Mag sein, aber was hätten wir zu zweit ausrichten können?«, entgegnete sie. »Noch heute mache ich mir Vorwürfe. Auch wenn Quart'ol letztlich nicht von den Sauriern des Bestiariums zerrissen wurde, sondern auf Augustus Island sein Ende fand - er fiel durch unsere Entschlüsse! Wie Skorm'ak es sagt: Wir sind schon lange von den Lehren Gilam'eshs abgewichen. Macht, Herrschaft und Angst: Das ist es, was uns korrumpiert. Lange bin ich Skorm'ak gefolgt, aber dieses Mal kann ich nicht an seiner Seite sein. Ich sehe die Notwendigkeit, die Chroniken der Stadt zu vernichten - aber nicht Gilam'esh! Wir dürfen den Propheten nicht unseren Interessen opfern! Es steht uns einfach nicht zu!«
Lar'az fuhr beruhigend über ihre Arme und die langen Dornen, die am Ellbogen aus der Schuppenhaut ragten. Sein Blick glitt über den teuer gearbeiteten, perlmuttfarbenen Brustpanzer, den die Quan'rill über dem hautengen Druckanzug trug.
»Ich wusste, dass du so empfindest. Du hast Gilam'esh immer verehrt, mehr als alle anderen.«
Mir'tar schwieg. Ihr Geliebter hatte recht. Schon als Kind hatte
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