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258 - Chronik des Verderbens

258 - Chronik des Verderbens

Titel: 258 - Chronik des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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sie die Lehren Gilam'eshs auswendig gewusst. Als man ihre Befähigung zur Quan'rill erkannte und sie - als Tochter eines Mitgliedes des Städtebundes - die Möglichkeit erhielt, die lange Ausbildung anzutreten, war sie diesen Weg mit Freude gegangen. Immer hatte sie Gutes für die Hydriten in ihrer Gesamtheit wirken wollen. Solange, bis sie erkennen musste, dass es sehr schwer war, Gutes von Schlechtem zu unterscheiden.
    War es denn wirklich gut, wenn die Hydriten erfuhren, dass sie vom Mars stammten und in früheren Zeiten um keinen Deut besser gewesen waren als die von ihnen so verachteten Menschen? Und das nicht erst auf der Erde: Ihre Vorväter hatten ein Drittel ihres Volkes auf dem sterbenden Rotgrund zurückgelassen, um sich ihrer zu entledigen! Die Erkenntnis würde viele Hydriten verunsichern. Dieses Wissen war gefährlich. Aber Gilam'esh deshalb zu töten? Nein, das konnte und wollte sie nicht zulassen, auch wenn sie sich damit gegen den Bund stellte.
    »Wir müssen ihn retten, Lar'az.« Sie sah zur Höhle zurück. »Wir müssen ihn aus der Stadt bringen, ehe die Sprengung erfolgt. Nehmen wir uns eine der Quallen und brechen auf.«
    »Noch nicht. Wir müssen Hak'don genug Vorsprung lassen«, wandte Lar'az ein. »Wenn wir ihn einholen, wird es kein gutes Ende nehmen. Wir dürfen ihm nicht begegnen.«
    »Wir brauchen Zeit, um Gilam'esh in Sicherheit zu bringen und rechtzeitig hierher zurückzukehren.«
    »Mag sein, aber Hak'don…«
    »Was interessiert mich dieser Emporkömmling!« Die Hydritin stieß zornig eine Hand durch das Wasser.
    »Würdest du ihn töten, wenn er uns entdeckt?«, fragte Lar'az leise. »So wie er den Propheten töten will?«
    Sie sah Lar'az nachdenklich an. Sie kannte ihn als Grübler, eigentlich viel zu weich für die Mitgliedschaft im Bund. Seine Eltern hatten erkannt, dass er zum Quan'rill taugte, und auf seiner Ausbildung bestanden. Er selbst hatte sie über sich ergehen lassen. Begeistert hatte ihn die Aussicht, ein ewiges Leben zu führen, niemals. Nicht so wie die anderen Geheimbündler. Lar'az besaß keinen Ehrgeiz und keine Arroganz. Alles was ihn interessierte, waren seine Forschungen… und sie, Mir'tar. Er tat alles, um ihr zu gefallen. Aber ging sie dieses Mal nicht zu weit? Konnte sie das wirklich von ihm verlangen?
    »Lar'az, du musst nicht mit mir kommen«, sagte sie schließlich. »Skorm'ak wird mich töten, sollte er herausfinden, dass ich gegen seinen Willen handele. Längst ist er zum Despoten geworden, auch wenn er es nicht zeigt. Sein Herz ist vergiftet von der Macht, nach der er strebt.«
    »Ich bleibe bei dir.« Lar'az sah sie entschlossen an. »Niemals lasse ich dich allein.«
    »Bist du dir sicher? Das Schicksal wendet sich hier.«
    »Ich folge dir.«
    »Dann komm.« Mir'tar schwamm zurück in den Schacht, um ihre Ausrüstung zusammenzustellen. Sie bemühte sich leise zu sein, um den Schlaf ihres Gefangenen nicht zu stören. Sie fürchtete Hak'don mehr, als sie es vor Lar'az zugeben wollte. Wenn sein Körper Schaden nahm, würde er sie durch alle Meere verfolgen.
    Die weitaus größere Gefahr aber ging von Skorm'ak aus. Wenn er von ihrem Plan erfuhr, waren sie Fischfutter; beide. Trotzdem. Was getan werden musste, musste sie tun. Ein Schauer überlief Mir'tar, als sie an Gilam'esh dachte. Bald würde sie ihn sehen. Bald würde der große Prophet leibhaftig vor ihr stehen. Ein Traum ihrer Kindheit würde sich erfüllen.
    Wenn ihr Selbstmordkommando gelang…
    ***
    Gilam'esh saß neben einem Blütenmeer aus Polypen auf dem Boden und genoss die angenehme Wärme, die seit der Aktivierung des Magmakraftwerks in Gilam'esh'gad herrschte. Statt um die zwei bis vier Grad war es nun fast zehn Grad warm. Eine angenehme Temperatur, die ihn wohlig umschmeichelte.
    E'fah schwamm nicht weit von ihm entfernt über eine Straße aus Muschelschalen. Es war eine der kleineren Gassen, nach der Farbe ihrer Muscheln Türkisblauweg benannt. Das Gebiet war verlassen. Hydriten hatten sich hier bisher keine angesiedelt. Die Häuser waren heruntergekommen, einige sogar durch das große Beben vor einem Jahr eingestürzt. Dennoch lag eine friedliche Stimmung über der unterseeischen Gasse, die sein Herz zur Ruhe kommen ließ.
    Gilam'eshs Blick lag auf E'fah, die eifrig nach Seesternen und Korallen suchte, mit denen sie ihm gefallen wollte. Ihr Gesichtsausdruck war kindlich und voll freudigem Eifer.
    Ist das noch dieselbe Hydritin, die Nedjeh getötet hat? Der Prophet dachte an die Untaten

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