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258 - Chronik des Verderbens

258 - Chronik des Verderbens

Titel: 258 - Chronik des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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männlicher und ein weiblicher. Ersterer kam mit einer einladenden Geste auf die beiden Kinder zu. Sein Scheitelkamm leuchtete dunkelrot.
    »Gilam'esh! Ich bin so froh, dass wir dich noch rechtzeitig gefunden haben! Geht es dir gut?«
    Gilam'esh sah den Fremden misstrauisch an - denn ein Fremder war es zweifellos: Er wies keinerlei Verwachsungen auf.
    Auch E'fah schien das aufgefallen zu sein, denn sie schob sich neben Gilam'esh. »Wer seid ihr? Woher kommt ihr?«, fragte sie mit ihrer befehlsgewohnten Stimme.
    Der Fremde verneigte sich leicht. »Ich bin Lar'az, ein Mitglied des Gilam'esh-Bundes. Und das ist meine Gefährtin Mir'tar. Wir sind gekommen, um dich in Sicherheit zu bringen, Prophet.«
    »In Sicherheit?«, fragte Gilam'esh. »Was soll das heißen?« Er sah sich um. »Und wo ist Clarice?«
    »Eines nach dem anderen«, klackerte die Hydritin beschwichtigend dazwischen. »Was Lar'az euch zu sagen versucht: Mar'os-Jünger haben von dir erfahren, Gilam'esh! Sie wissen, dass du hier in Gilam'esh'gad bist. Es wurden Hydriten ausgesandt, die dich töten sollen! Sie sind schon in der Stadt!«
    »Das ist… unmöglich«, klackerte Gilam'esh. Er war erschreckt und verwirrt.
    »Es ist so«, bekräftigte Lar'az. »Wir sind ihnen gefolgt. Sie haben die Wasseraustauschröhre zum Bestiarium benutzt. Wir haben wenig Zeit. Clarice ist bereits vorausgegangen, um dir ein paar Sachen zusammenzupacken. Du musst sofort mit uns kommen!«
    Gilam'esh sah E'fah an, die alles andere als überzeugt wirkte. »Ich warte auf Clarice«, entschied der Hydrit verunsichert.
    »Das könnte dein Ende bedeuten!«, drängte Lar'az. »Lass uns zumindest zu unserer Qualle schwimmen. Auf dem Weg dorthin treffen wir Clarice sicher.«
    E'fah zog das Messer aus Gilam'eshs Gürtel. Sie tat es behutsam und schnell zugleich. Ihr kleiner Körper baute sich kampfbereit vor ihm auf. »Ich glaube euch nicht! Holt Clarice, wenn ihr es so eilig habt. Wir warten hier!«
    »Du kleine Kröte!« Mir'tar zog nun ebenfalls ein Messer aus dem Gürtel an ihrer Hüfte - ein wesentlich längeres - und ging auf E'fah los. Die Hydritin wich dem Stich anmutig aus.
    »E'fah!« Gilam'esh wollte ihr beistehen, doch Lar'az packte seine Arme. »Bleib stehen!«, herrschte er ihn an.
    E'fah griff nun ihrerseits an, doch sie hatte die kürzere Reichweite. Ihr Hieb blieb wirkungslos. Mir'tar packte ihr Handgelenk und schleuderte die Geistwanderin im Kinderkörper herum. Das stumpfe, halb verrottete Sord'finn-Messer fiel aus E'fahs kleinen Händen. Die Fremde zog sie zu sich heran. Sie hob ihr Messer drohend. »Beweg dich nicht!«
    Lar'az beugte sich zu Gilam'esh hinunter, nahe an seine Gehörgänge. »Du wirst jetzt mit uns kommen, oder wir bringen deine kleine Freundin um!«
    Gilam'esh presste die Kiefer hart aufeinander. »Also gut. Aber nicht ohne sie! Wenn ich gehe, kommt E'fah mit!«
    E'fah sah ihn überrascht an. Es war ihm egal, was sie in dem Moment von ihm dachte. Er wollte sie bei sich haben. Wenn er sie zurückließ, töteten die beiden sie vielleicht.
    »Meinetwegen. Gehen wir!« Mir'tar trieb E'fah voran.
    »Ihr kommt ohnehin nicht weit!«, höhnte E'fah mit der spöttischen Intonation einer ägyptischen Königin. »Gilam'esh ist in der Stadt bekannt! Man wird euch aufhalten und den Ichthyosauriern zum Fraß vorwerfen!«
    Lar'az zögerte.
    »Jeder hier kennt uns«, ergänzte Gilam'esh E'fahs Worte. Dies entsprach zwar nicht der Wahrheit, aber das wussten die beiden Hydriten ja nicht. »Gebt lieber gleich auf! Euer Plan ist fehlgeschlagen!«
    Mir'tar und Lar'az sahen einander an. Der Blick des Hydriten mit dem dunkelroten Scheitelkamm wurde noch starrer und bohrender.
    »Nun, dann sorgen wir eben dafür, dass euch niemand erkennt«, sagte er schließlich grimmig.
    ***
    Dunkelheit. Vogler hörte seinen Herzschlag überdeutlich. Er pochte in seinen Ohren wie der Schlag einer fernen Trommel.
    Vom Kraken war nichts zu hören. Hing das Tier noch immer an der Decke? Oder kroch es bereits mit seinen langen Tentakeln und dem sackartigen Körper heran, um sich an seinem Opfer gütlich zu tun?
    Der Baumsprecher atmete ruhig und gleichmäßig. Seine zahlreichen Meditationen halfen ihm nun, nicht die Nerven zu verlieren. Er spürte mehrere dünne Ärmchen an seinem Bein. Eine Kolonie aus Riesenpfauenwürmern. Es mussten Würmer sein wie jene, die in dem großen Felsendom siedelten. Diese Exemplare hatte Vogler in der Stadt bisher nicht gesehen. Er wusste nicht, ob sie giftig waren

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