2581 - Wunder in Gefahr
Scharade als unumgänglich erwies, übernahm Tanio den Part des Scharfmachers und
Paragrafenreiters, sodass Tifflor der-jenige war, der am Ende die Sympathien einheimste.
Nicht zuletzt wusste Ucuz, Distanz zu wahren. War seine Anwesenheit nicht vonnöten, zog er
sich dezent zurück.
Obwohl sie ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt hatten, wäre ihm nie eingefallen,
dieses zu missbrauchen. Trotz der Nähe, die sein Beruf nun mal mit sich brachte, hatten sich die
beiden Männer stets den größtmöglichen persönlichen Freiraum gewährt.
*
Bis zu diesem Moment...
Der Körper des Oberstleutnants zuckte und wand sich, mittlerweile jedoch eher in Krämpfen als
im Versuch, Tifflors Haltegriff zu lockern.
Rings um sie lagen die Trümmer und Fetzen des seltsamen Gestells, das sich Ucuz als
Verkleidung gebastelt hatte. Auf einem der Laken waren seine Rangabzeichen aufgesprüht ...
Tiff lief es eiskalt den Rücken hinab.
»Tanio, Tanio. Was ist aus dir geworden? Wieso hast du dich so grässlich zugerichtet? Und
warum hast du mir nach dem Leben getrachtet, ausgerechnet du mir?«
Ucuz würgte gutturale Laute hervor. »...niform«, verstand Tiff. »Musste Uni... form
...ben.«
»Haben?«
»Rau. Rauben.«
»Von mir? Aber ich trage Zivil, alter Freund, genauso wie du.«
Auch wenn die Typenbezeichnung ihrer SERUNS Warrior-III lautete ... Immerhin, der
Grundstein zu einer Verständigung war gelegt.
»Hör mir gut zu, Oberstleutnant Ucuz. Ich lasse dich los, wenn du mir versprichst, brav zu
sein.«
»Nein! Kann ... nicht ... «
»Ruhig, ganz ruhig. Du warst verwirrt, hast gekämpft wie ein Berserker. Aber du musst dich
nicht dafür schämen, es bleibt unter uns. Sicher gibt es eine logische Erklärung. Wir kriegen das
schon wieder hin.«
»Kann nicht ... garantieren ...«
»Verflixt noch mal, Tanio! Du, der zuverlässigste Kerl unter allen Sonnen, die ich kenne. Und
das sind eine Menge.«
»...trum...«
»Was?«
»Monstrum ... Werde zum Monstrum ...«
»Unsinn. Der Psi-Sturm spielt uns allen übel mit, mir nicht minder, der Rest der Besatzung ist
... Tanio? Tanio!«
Ucuz löste sich auf.
Kurz fürchtete Tiff, nun selbst den Verstand verloren zu haben. Halluzinierte er, trogen ihn
seine Augen?
Tanio Ucuzs massiger Leib wurde durchscheinend. In Tifflors Armen dünnte er aus zu einem
zittrigen, weißlichen, substanzlosen Nebelstreif.
Für ein, zwei Sekunden. Dann war der Spuk vorbei.
Tiff hatte sich reflexartig zur Seite geworfen und hinter eine Sitzgarnitur in Deckung
gerollt. Mysteriösen energetischen Leuchterscheinungen wich man besser aus; schon gar, wenn der
IV-Schirm des SERUNS nicht funktionierte.
Aufs Schlimmste gefasst, hob er zuerst seinen Kombistrahler auf und entsicherte ihn, bevor er
sich vorsichtig dem wieder körperlich gewordenen Sicherheitschef näherte.
Aber der rührte sich nicht. Er war bewusstlos, wie die Medo-Einheiten der rasch gekoppelten
Anzüge bestätigten, und vollkommen ausgepumpt.
Tiff rief weitere Daten ab, die sich jedoch als Müll herausstellten.
Sie konnten nicht stimmen. Ihnen zufolge wäre Ucuz in den letzten Tagen ungefähr drei
Dutzend Mal gestorben; so hoch waren allein die angeblich verzeichneten Fieberwerte.
Selbst am Rande der Ohnmacht, hockte sich Julian Tifflor neben den reglosen Kameraden und
hörte, zu müde zum Denken, seinem Aktivatorchip beim Trommeln zu.
*
Irgendwann erklang eine vertraute Stimme.
»Erschrick nicht, ich bin wach. Und einstweilen über den Berg, hoffe ich.«
»Tanio?«
»In alter ... na ja, Frische würde ich das nicht nennen. Oh Mist, es rumort immer noch. - Sei
so nett, halt Sicherheitsabstand und deinen Strahler bereit - für alle Fälle.«
Tiff wuchtete sich hoch. Er ließ es sich nicht nehmen, seinem Leibwächter auf die Schulter zu
klopfen, bevor er dem Rat Folge leistete und zehn Schritte zurücktrat.
Wer weiß besser als er, was gut für mich ist?
»Mann, bin ich froh«, sagte Tiff aufrichtig, »wieder vernünftig mit dir reden zu können.«
»Ebenfalls. Aber ich habe leider keine Ahnung, wie lange das anhält. Also bleib auf der
Hut.«
»Wieso? Was war mit dir los?«
»Ich weiß es nicht. Ich erinnere mich nur rudimentär und verschwommen, wie an einen nicht
enden wollenden Albtraum.«
»Erzähl mir trotzdem alles, was dir einfällt.«
»Na klar. Standardverfahren nach ungewöhnlichen Ereignissen: Zeugen und Beteiligte befragen,
solange sie sich noch im
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