2585 - Der Tanz der Vatrox
Gleiter, die in Schwärmen wie Vögel über den Bevölkerungszentren von Hibernation-5 kreisten und darauf warteten, dass ein Vatrox ihrer Dienste bedurfte, setzte zur Landung an.
Equarma stieg in den Gleiter, und das Fahrzeug beschleunigte. Daran war nichts Verdächtiges. Jeder Gleiter war mit einem Autopilot ausgestattet.
Vastrear folgte ihr. Er steuerte seine Maschine manuell.
Equarma flog nach Osten und erreichte bald die ersten Ausläufer des Kwelam- Gebirges, eine der ausgedehnten Wildniszonen von Hibernation-5.
Vastrear war das Gebirge unbekannt. Wie eigentlich nahezu der ganze Planet. Während seiner kurzen Aufenthalte auf Hibernation-5 ging er anderen Interessen nach als der Schönheit der Landschaft.
Und was war mit Equarma? Vastrear hatte vom Kwelam-Gebirge gehört, wusste, dass es bei den Vatrox, die auf Hibernation-5 lebten, ein beliebtes Ausflugsziel war. Equarma unternahm einen Ausflug, nichts weiter. Die Vorstellung, sie könne inmitten dieser Wildnis einen Umsturz planen, mutete ihm grotesk an.
Vastrear spielte mit dem Gedanken umzudrehen - hatte er nicht genug gesehen? -, aber entschied sich dafür, Equarma weiterzuverfolgen. Er hatte sich zu dieser merkwürdigen Beschattung hinreißen lassen, also mochte er sie ebenso gut zu Ende führen. Es würde ihm eine Lehre sein. Er konnte Equarma vertrauen.
Equarmas Gleiter setzte auf einem kleinen Landeplatz in einem Hochtal auf. Das Tal war viele Kilometer lang, sein Boden nahezu eben. Nur in seiner Mitte hatte sich ein windender Flusslauf tief in das Gestein gegraben. Senkrechte Wände fielen tief ab zum aufgewühlten Wasser.
Ein halbes Dutzend Gleiter, die zu anderen Ausflüglern gehören mussten, warteten bereits auf dem Landeplatz.
Vastrear verfolgte, wie Equarma aus dem Gleiter stieg und zielstrebig auf einen Pfad einbog, der sich durch die mannshohen Büsche an das Steilufer des Flusses schlängelte. Kaum war sie zwischen der dichten Vegetation verschwunden, setzte er seinerseits den Gleiter auf und folgte ihr.
Der Pfad endete an einer Lichtung am Steilufer. Vastrear ging auf alle viere, kroch unter den Gebüschen durch und sah, auf dem Bauch liegend, auf die offene Fläche.
Equarma hatte sich auf einer Sitzbank aus Formenergie niedergelassen. Sie war nicht allein.
Da waren andere Frauen. Wie Expeput ihm gesagt hatte.
Aber was für Frauen!
Sie waren Krüppel wie Equarma selbst. Die Augen einer Frau waren wie die Equarmas erloschen, dunkle Höhlen. Sie war blind.
Eine weitere war stumm. Ein Modulator, der ähnlich wie Equarmas Assistenzrobot neben dem Kopf der Frau schwebte, sprach für sie.
Eine weitere taub. Ein Holo flimmerte vor ihr, schrieb für sie auf, was die übrigen sagten.
Die fünfte und letzte der Gruppe war gelähmt. Sie saß auf einem Antigravstuhl, ihre abgemagerten Beine baumelten im Wind wie die Ärmel eines Pullovers.
Die Frauen umarmten einander, als sie sich begrüßten. Sie waren offensichtlich alte Freundinnen. Sie tratschten über die Kleinigkeiten des Alltags, tauschten sich über ihre Gebrechen aus. Vastrear konnte gut verstehen, was sie sagten, trotz des fernen Grollens, das von dem wilden Flusslauf kam, der jenseits der Abbruchkante am Rand der Lichtung lag.
Scham stieg in Vastrear auf, als er den Frauen lauschte. Worauf hatte er sich nur verstiegen? Das, was sich auf der Lichtung abspielte, war alles, nur keine Verschwörung. Diese Frauen taten nichts anderes als die Frequenzfolger, die sich zwischen den Sternen trafen, um Geborgenheit und Freundschaft unter Gleichgestellten zu finden.
Equarma war blind. Und auch wenn sie ihre Behinderung auf eine Weise meisterte, die bewundernswert war, blieb sie eine Behinderung. Equarma brauchte den Austausch. Und erklärte dieser Austausch nicht ihre fast unheimlich anmutende Findigkeit im Umgang mit ihrer Blindheit?
Vastrear hatte genug gesehen. Er wollte zurück auf den Pfad kriechen und zum Gleiter zurückeilen, als ein Schatten über ihn strich. Ein weiterer Gleiter setzte zur Landung an. Besser, er wartete. Eine Begegnung mit anderen Vatrox mochte die Aufmerksamkeit Equarmas erregen, ihn verraten.
Einige Minuten später kam eine Vatrox vom Landeplatz, passierte sein Versteck. Sie bemerkte ihn nicht.
Die Frau ging zur Lichtung. Sie war jung und gesund.
Equarma und die übrigen Frauen unterbrachen ihre Unterhaltung, blickten sie fragend an.
Die Vatrox trat vor sie und sagte: »Ich bin Tanala. Ich bin gekommen, um bei euch zu sterben.«
*
Equarma schien das
Weitere Kostenlose Bücher