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2585 - Der Tanz der Vatrox

2585 - Der Tanz der Vatrox

Titel: 2585 - Der Tanz der Vatrox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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Ansinnen der Frau nicht zu überraschen.
    »Wozu willst du sterben?«, fragte sie.
    »Um zu werden, wie ihr es seid.«
    »Bist du dir sicher? Sieh uns an!« Equarma zeigte auf die Frau zu ihrer Linken, neben deren Kopf der Modulator schwebte. »Hier, Cancurre ist stumm. Ihre Stimmbänder versagen ihr den Dienst. Wieso, weiß niemand. Die besten Ärzte der Monarchie haben sie untersucht. Sie können keine Ursache finden. Willst du wie Cancurre sein?«
    Equarma wandte sich nach rechts. »Oder wie Kenra? Eines Morgens vor zehn Jahren erwachte sie taub. Oder vielleicht wie Shikit? Ihr versagten eines Tages die Beine. Oder ziehst du gewöhnliche Blindheit vor, wie sie Merral und mich befallen hat?«
    Equarma drehte sich wieder zu der wartenden Frau, blickte sie aus erloschenen Augen an, als könne sie ihr Gegenüber mithilfe der toten Organe wahrnehmen. »Wir sind Krüppel. Niemand will etwas mit uns zu tun haben. Und du kommst hierher und sagst, du willst sein wie wir?«
    »Ja.«
    »Hast du den Verstand verloren?«
    »Nein. Die anderen Leute sind ... sie sind dumm. Sie sehen nur die Oberfläche. Sie sehen Krüppel in euch, mindere Wesen. Aber das ist falsch, ihr seid mehr ...«
    »Und woher willst du das wissen?«
    »Ich spüre es. Und ich spüre, dass ich nicht wie bisher weiterleben will. Nicht mehr weiterleben kann.«
    »Und du glaubst, wir können dir helfen?«
    »Ja.«
    »Wie das?«
    »Indem ich bei euch sterbe.« Tanalas Stimme war fest. »Ich sterbe. Ihr fangt mein Vamu ein und geleitet es zur Wiedergeburt. Ihr stellt sicher, dass mein Körper nicht so nutzlos ist wie dieser. Ich will sehen und fühlen und denken wie ihr. Und handeln.«
    »Das ist dein Wunsch?«, fragte Equarma.
    »Ja.«
    »Er soll in Erfüllung gehen.« Equarma trat auf die Frau zu, hielt ihr die Hand. »Komm, ich geleite dich.«
    Tanala nahm die Hand, und die Blinde führte die Sehende zur Klippe, hielt eine Handbreit vor dem Abgrund an.
    »Hier wirst du den Tod finden, den du dir wünschst«, sagte Equarma.
    »Ja«, antwortete Tanala. Sie schwankte. Der Anblick des reißenden Flusses zu ihren Füßen machte ihr Angst. Vatrox brauchten den Tod nicht zu fürchten. Doch das bedeutete nicht, dass das Sterben einfach für sie gewesen wäre.
    Vastrear wand sich in seinem Versteck. Er hatte die Wahrheit gesucht. Er hatte sie gefunden.
    Equarma hatte den Verstand verloren. Die Behinderung musste ihn zermürbt haben, der Kontakt zu den anderen Krüppeln hatte ihm den Rest gegeben. Zusammen hatten sich die Frauen in Wahnvorstellungen verstiegen.
    Und nun würde der Wahn einer weiteren Frau das Leben kosten.
    Tanala würde springen, ihr Leben wegwerfen.
    Es war nur ein Leben, und es war ihr Recht, darüber zu verfügen. Und dennoch: Es war falsch.
    Konnte er sie retten? Keine zwanzig Meter trennten Vastrear von Equarma und der zum Sterben Entschlossenen. Mit etwas Glück konnte er sie erreichen, bevor sie sprang, sie vom Abgrund zurückreißen.
    Dann wüsste Equarma, dass er sie verfolgt hatte. Aber was machte das schon? Equarma war nicht mehr die, die er ...
    Tanala ging in die Knie und sprang mit aller Kraft.
    Sie schleuderte über den Abgrund und ...
    ... und plötzlich hing sie in der Luft, als hielten sie unsichtbare Hände fest. Sie stieß einen überraschten Ruf aus. Er brach ab, als sie nach oben schnellte, als hinge sie an einem Ende eines unsichtbaren, zum Zerreißen gespannten Gummibands.
    Tanala schoss nach oben, auf den schwarzen Schemen eines Gleiters zu.
    Gleichzeitig stürzte ein halbes Dutzend Gleiter dem Boden entgegen.

9.
     
    Man gestand Vastrear eine halbe Stunde zu, nachdem er sein Gewicht als verdienter Frequenzfolger in die Waagschale geworfen hatte.
    Equarmas Gefängnis war improvisiert; ein Büro in einem Seitentrakt des Flottenkommandos, das ein niederer Verwaltungsbeamter in aller Eile hatte räumen müssen.
    Die Vatrox kannten keine Gefängnisse. Sie benötigten sie nicht. Vatrox begingen keine Verbrechen. Und für die Wesen, die in ihrem Dienst standen, lohnte sich die Mühe einer derartigen Einrichtung nicht. Beging ein Darturka eine kleinere Verfehlung, ließ man ihn durch andere Darturka körperlich züchtigen. Lernte er daraus nicht oder ließ er sich eine größere Verfehlung zu Schulden kommen, starb er, und ein anderer Klonsoldat trat an seine Stelle.
    Die Holowand des Büros war erleuchtet, als hinter Vastrear die Tür zuglitt. Sie zeigte die lokalen Strukturen des Herrschaftsgebiets der Frequenz-Monarchie von

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