2587 - Krieg in der Schneise
ich mich getraut, dich anzusprechen. Ich wusste, dass ich es allein nicht schaffen kann.«
In diesem Moment wurde Milian ein weiteres Mal bewusst, dass er Wachs in ihren Händen war und dass sie ihn formte. Manipulierte. Doch es war ihm gleichgültig, denn es war richtig, aufzubegehren. Mehr als das - es war zutiefst notwendig! Für sie selbst und auch für ihre Forschungsmission, die nicht als nebensächliche Notiz im Verlauf der Schlacht enden durfte: ein weiterer Abschuss.
Insofern vertrat er sogar die Interessen der Frequenz-Monarchie, indem er sich gegen die Schiffsführung erhob.
Ein beruhigender Gedanke, der Sicherheit verlieh, wobei Milian nur allzu klar war, wie trügerisch diese Sicherheit war. Wenn ihr Vorhaben auffiel, würde man erst schießen und danach Fragen stellen. Letzteres auch nur, wenn Zeit dazu blieb. Ein paar revoltierende Ator waren nichts, mit dem sich die Vatrox lange aufhielten.
»Wir müssen die anderen informieren«, sagte er.
»Alle?«
»Ohne sie wird eine Flucht nicht möglich sein.«
Er zögerte kurz. Gedanklich hatte er sich längst damit auseinandergesetzt, aber nun würde er das Wort zum ersten Mal aussprechen müssen. »Denn wir werden nicht fliehen können ohne einen Putsch.«
Die smaragdgrünen Punkte in den bernsteingelben Augen tanzten. »Ator gegen Darturka und Vatrox?«, fragte sie skeptisch.
»Viele gegen wenige.« Das klang besser als ihre Version. Immerhin.
Sie schien einen Augenblick mit sich selbst zu ringen. »Komm mit. Ich zeige dir etwas.«
Sie stand auf und steuerte den Ausgang aus dem Forschungslabor an.
Er folgte ihr langsam.
Draußen im Korridor sah er sie gerade noch in einem kleinen Lagerraum verschwinden. Die Tür glitt zu.
Weil er sich nicht beeilte, benötigte er einige Sekunden, bis er dort ankam. Möglichst beiläufig öffnete er. Es konnte ja sein, dass jemand sie beobachtete, und darum wollte er den Eindruck erwecken, ein Ersatzteil holen zu müssen oder etwas ähnlich Belangloses, wie er es schon tausend Mal getan hatte, ohne dass ihn deswegen ein schlechtes Gewissen drückte.
Im Raum war es dunkel.
Stockdunkel sogar, als die Tür hinter ihm zuglitt.
»Licht!«, forderte er, und die Stimmerkennung reagierte.
Chana lag mit gebrochenem Genick auf dem Boden. Ihre weit aufgerissenen Augen starrten ihn blicklos an.
Er wankte und stolperte unwillkürlich einen Schritt rückwärts, schlug gegen die verschlossene Tür. Er flüsterte ihren Namen, gepackt von einer Mischung aus Grauen und Entsetzen. Blut lief aus ihrem Mundwinkel, ein dünner Faden nur. Kein einziger Tropfen war bislang auf den Boden gelangt.
Aber - sie hatte bis vor wenigen Sekunden gelebt! Das hieß, ihr Mörder war ohne jeden Zweifel noch immer in diesem Raum!
Milian stand wie versteinert, tastete vorsichtig nach dem Öffnungssensor der Tür. Wenn er schnell genug war, konnte er womöglich entkommen und ...
Hinter einem Regal trat ein Darturka hervor. Er trug die schwarzviolette Kleidung eines Kommandanten und musste sich ducken, um nicht gegen die Decke zu stoßen. Mit einer schweren Waffe zielte er auf Milians Kopf. »Wer ist außer euch beiden noch beteiligt?«
»W-woran?«
Der Klonsoldat trat nach Chanas Leiche. Der Kopf baumelte und schlug auf. Die silbrigen Haare breiteten sich wie ein Fächer über den Boden aus.
Bei dem Anblick wurde Milian übel. Sämtliche Kraft wich aus seinem Körper.
Der Darturka kam einen Schritt näher. Die Mündung der Waffe war nur Zentimeter von Milians Stirn entfernt. »Rede!«
In einer Mischung aus Wut und Trotz schwieg der Hyperphysiker. Er würde ohnehin sterben.
»Du wirst schon schießen müssen!« Er konnte nicht fassen, wie schnell die Lage völlig eskaliert war.
Innerlich weitaus ruhiger als gedacht, schloss er die Augen und wartete auf den Tod.
Doch er kam nicht.
Als er Sekunden später die Lider wieder hob, starrte er in ein Gesicht, das er niemals erwartet hätte.
8.
Totenchor
Ein Kegelstumpfraumer explodierte.
Kardo Tarbas Schwanz schabte über den Boden. Sonst zeigte der Jaranoc keine Reaktion, sagte nur mit tonloser Stimme: »Wir müssen handeln - schnell!«
Die beiden miteinander verbundenen Silberkugeln waren vor wenigen Sekunden im Normalraum materialisiert; in Sichtweite der Schlacht, die dort zwischen Einheiten der Frequenz-Monarchie und der Jaranoc tobte. Genau wie Tarba gesagt hatte, galt es, keinen weiteren Augenblick zu verlieren.
Der kombinierte Schutz- und Tarnschild der Silberkugeln
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