259 - Die Stunde der Wahrheit
Leitstand her. Er reihte sich in den Strom der Rettungsquallen ein, hin zum offiziellen Ausgang der Stadt.
Gilam'esh verstand plötzlich. Anscheinend nutzten ihre Entführer die Evakuierung der Stadt, um sich in einer Rettungsqualle unauffällig dem Strom anzupassen. Es war bereits hell in der Stadt, und die Qualle des Bundes wäre sofort aufgefallen.
E'fah reckte sich in ihrem Sitz empor und sah Mir'tar herausfordernd an. »Ihr wollt doch die Stadt verlassen, oder? Dann braucht ihr an der Schleuse das richtige Passwort, wenn die Stadtzentrale euch fragt. Wie sollen wir euch das sagen, wenn wir durch deinen Blitzstab bewusstlos sind?«
Mir'tar blickte zweifelnd drein. »Du lügst doch. Bei der Menge an Flüchtlingen werden sie kaum in jeder einzelnen Qualle nach einem Kennwort fragen.«
»Glaub, was du willst, Seekuh.« E'fahs Klackern klang höhnisch. »Aber wenn ihr uns betäubt, werdet ihre diese Stadt niemals verlassen können. Richtig, Gila?« Sie wandte sich ihm zu.
»Äh… richtig«, sagte er lahm. Warum blickte ihm E'fah zwischen die Beine anstatt ins Gesicht? Saß sein Lendenschurz nicht richtig?
»Halt einfach deinen vorlauten Mund!«, ordnete Mir'tar an.
»Den Mund halten, Seekuh? Am liebsten würde ich brüllen .« E'fah starrte ihm unentwegt zwischen die Beine. Gilam'esh kam sich nackt vor. Sein dunkelgrüner Scheitelkamm verfärbte sich leicht. Er fühlte das pulsierende Blut darin.
»Dann brüll doch«, klackerte er flapsig.
»Ruhe jetzt!« Mir'tar reckte den Blitzstab in ihrer Hand noch weiter vor. »Ihr habt schon genug angerichtet! Wenn du schreist, E'fah, werde ich schießen!«
»Spiel dich nicht so auf, Verräterin. Ihr kennt das Passwort nicht. Früher oder später werden sie euch entlarven !«
E'fah sah weiterhin zwischen seine Beine. Gilam'esh entschied, sich zu rächen, und starrte auf ihre Brüste. Wenn sie schon so unverhohlen glotzte, hatte sie es nicht anders verdient.
E'fah rollte mit den Augen.
»Was?«, fragte er verwirrt.
»Jetzt brüll ich wirklich gleich!«
»Ruhe, verdammt!«, fuhr Lar'az dazwischen. »Haltet den Mund oder wir betäuben euch beide! Das ist vermutlich das Beste. Diese Sache mit dem Passwort am Ausgang ist garantiert nur eine weitere Lüge!«
E'fah klackerte keck und zeigte ihre spitzen Zähne. »Willste drauf wetten, Tintensack? Aber bitte, ich lasse das Brüllen . Und natürlich wird man euch nicht entlarven . Dafür seid ihr ja viel zu schlau.«
»Halt endlich dein Maul!«, klackerten Mir'tar und Lar'az fast zeitgleich.
Gilam'esh folgte erneut E'fahs Blick auf seinen Lendenschurz. Und plötzlich ging ihm ein ganzes Heer von Leuchtmikroben auf! Brüllen! Entlarven!
Seine vor dem Körper gefesselten Hände wanderten zu seinem Lendenschurz, an dessen Vorderseite er in einer eingenähten Tasche noch immer das sonderbare Tier aus Clarices Labor trug: den Brüllwurm! Er hatte E'fah die Larve abgenommen, als sie Clarice damit bedroht hatte, um ihren Willen durchzusetzen. Das war beim Aufbruch der Jagdgesellschaft gewesen. Vielleicht konnte ihnen dieses Tier nun nützlich sein. Zum Glück hatten die Entführer ihnen erlaubt, ihre alten Lendenschurze anzuziehen.
Er kratzte sich am Bauch und löste dabei die dünne Pflanzenschnur, die die eingenähte Tasche geschlossen hielt.
»Nimm die Hände nach oben vor die Brust!«, befahl Mir'tar.
»Ich kratz mich doch nur!« Gilam'esh hob langsam die Hände.
Mir'tar schnalzte zornig. »Lar'az, jetzt reicht es mir! Passwort hin oder her, ich betäube die beiden, bis wir sicher aus der Stadt raus sind. Sie kommen doch nur auf dumme Ideen.«
»Ich bitte darum«, sagte Lar'az giftig. »Das Gemecker da hinten hält ja kein Hydrit aus.«
Mir'tar änderte die Einstellung am Blitzstab.
Gilam'esh ruckte in der Zeit mit seiner Hüfte und ließ die Larve aus dem Beutel zu Boden fallen. Dann riss er die gefesselten Hände unter sein Kinn und presste die Kuppen der Mittelfinger fest gegen seine Gehörgänge. E'fah folgte blitzschnell seinem Beispiel.
Mir'tar visierte ihn an.
Gilam'esh trat auf die Larve. Nicht so fest, dass er sie getötet hätte, aber doch so stark, dass sie so reagierte, wie Brüllwürmer es tun, wenn sie bedroht werden: Ein unglaublich hoher und schriller Ton hallte durch die Qualle! Ein Ton, der selbst in seinen zugedrückten Gehörgängen noch schmerzte und ihm Kopfschmerzen bereitete.
Mir'tar schoss, verzog aber den Blitz und traf das bionetische Material der Qualle. Die Hydritin schrie hell auf
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