26 - Die Sklavenkarawane
sterben. Schimpfst du mich noch einmal, so lasse ich dir die Zunge ausreißen; das merke dir!“
„Reiß sie heraus!“ gab der Araber ihm zurück. „Du bist ein Hund, den alle andern Hunde fliehen, weil er räudig ist!“
Auch bei dieser gesteigerten Beleidigung blieb Abd el Mot ruhig. Er sagte: „Ja, sie soll dir ausgerissen werden, doch nicht jetzt, nicht heute, sondern erst dann, wenn wir Zeit dazu haben. Einen Verwundeten kann ich jetzt nicht brauchen. Später wirst du täglich bis auf die Knochen gepeitscht werden; jetzt muß ich damit noch warten, weil du stark sein mußt, um mit uns marschieren zu können. Aber vergessen sind deine Worte nicht. Jetzt frage ich, woher du kommst und wohin du willst.“
„Frag, soviel dir beliebt; von mir erhältst du keine Antwort!“
Er wandte sich ab.
„Du wirst noch antworten lernen“, lachte Abd el Mot. „Holt eine Schebah für ihn herbei!“
Unter Schebah versteht man einen schweren Ast, dessen eines Ende eine Gabel bildet. In diese Gabel wird der Hals der Sklaven während des Transportes gesteckt und durch ein Querholz festgehalten. Der Ast geht nach vorn; an ihn werden die Hände des Gefangenen, mit denen dieser ihn tragen muß, gebunden. Dadurch behält der Gefesselte den freien Gebrauch der Füße und ist dennoch am Entrinnen verhindert. Eine solche Schebah wurde dem Emir angelegt. Dann wandte sich Abd el Mot mit finsterer Mine an Schwarz: „Jetzt sag nun du, wer du bist! Aber lüge nicht, sonst erhältst du die Peitsche!“
Hätte der in dieser Weise Angeredete die Gefühle, welche er jetzt empfand, beschreiben sollen, er wäre nicht fähig dazu gewesen, er hätte keine Worte zu finden vermocht. Haß, Ekel, Abscheu, Zorn – die Summe aller dieser Begriffe deckte sich nicht mit dem, was ihn jetzt erfüllte. Er wußte, daß man auch ihn an eine Schebah fesseln werde; aber er wußte ebenso, daß man gezwungen war, ihn geradeso wie den Emir einstweilen zu schonen. Darum sah er keine augenblickliche Veranlassung, durch höfliche oder gar kriechende Antworten eine mildere Behandlung, die ihm ja doch nicht geworden wäre, zu erstreben. Darum sah er Abd el Mot wie von oben herab an und fragte: „Welches Recht hast du zu dieser Frage?“
Der Sklavenjäger war sehr erstaunt über diese Worte; das sah man ihm deutlich an. Er mußte sich erst besinnen, wie er sich verhalten solle; dann lachte er höhnisch auf: „Allah tut Wunder! Sollest du etwa der Sultan von Stambul oder wenigstens der Khedive von Kahira sein? Deine Worte lassen so etwas vermuten. Ich frage, weil du mein Gefangener bist.“
„Mit welchem Recht hast du mich überfallen und mich binden lassen?“
„Es hat mir so beliebt. Jetzt weißt du es. Du siehst uns hier auf einer Ghasuah, bei welcher man keine Spione duldet.“
„Ich bin keiner!“
„Lüg nicht! Ihr habt die Belanda vor uns warnen wollen.“
„Wer hat dir das gesagt?“
„Ihr selbst. Meine Leute haben es gehört, als sie unten im Chor standen, um euch zu belauschen. Von wem habt ihr denn erfahren, daß wir nach Ombula wollen?“
„Vom Leuten, welche es wissen.“
„Wer sind diese Leute?“
„Das wirst du vielleicht später erfahren. Ich habe dir keine Auskunft zu erteilen.“
„Nicht?“ rief Abd el Mot in zornigem Ton. „Dann ist deine Zunge überflüssig; ich werde sie dir also auch herausnehmen lassen!“
„Pah! Das wirst du nicht wagen; es wäre zu deinem Verderben.“
„Wieso?“
„Ich bin kein Araber, sondern ein Europäer. Meine Regierung wird dich zur Rechenschaft zu ziehen wissen. Ich verlange, augenblicklich freigelassen zu werden. Gehorchst du dieser Forderung nicht, so kommen die Folgen über dich!“
Da schlug Abd el Mot ein lautes Gelächter auf und rief: „Ich sehe, du bist ein Narr! Meinst du denn wirklich, daß ich deine Drohungen fürchte? Du bist ein Franke, folglich ein Christ?“
„Ja.“
„Allah verderbe dich! Ein Christ, ein Giaur! Und du wagst es, mir zu drohen! Wer hindert mich, dich augenblicklich erschießen zu lassen?“
„Das Gesetz.“
„Hier gilt kein Gesetz, sondern nur mein Wille. Wenn ich dich töte, wie will deine Regierung es erfahren? Und wenn sie es erfährt, wie will sie mich fassen und bestrafen? Nicht einmal die Macht des Großherrn oder des Vizekönigs reicht bis hierher, viel weniger die Gewalt des ungläubigen Schakals, welche du meinst, wenn du von deiner Regierung redest. Wir haben dich bei dem Emir gefunden. Du bist sein Freund und Gefährte und wirst
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