26 - Die Sklavenkarawane
einem zu tun!“
„Ja. Wenn er wieder brüllt, werden wir hören, ob er zu uns oder nach einem andern Ort will.“
Zum drittenmal erklang die Stimme des Raubtieres, halb knurrend und halb heulend. Man hörte deutlich, daß sie aus größerer Nähe kam. Die Homr-Araber waren jetzt alle an das zweite Feuer gekommen. Sie fürchteten sich.
„Er kommt zu uns, er kommt wirklich“, flüsterte der Scheik mit vor Angst heiserer Stimme.
„Du hast dich also geirrt“, antwortete Schwarz, „als du behauptetest, es sei kein Löwe hier an dieser Quelle zu erwarten.“
„Konnte ich wissen, daß sich einer eingefunden hat? Er haust wohl erst seit wenigen Tagen hier. Wären wir nicht in der Dunkelheit gekommen, so hätten wir wohl die Spuren seiner Tatzen gesehen. Der Bir ist seine Tränke, denn es gibt von hier bis zum Fluß kein andres Wasser.“
„So kampiert er auf der offenen Ebene?“
„O nein, Herr. Dreiviertel Stunden von hier gibt es ein Felsgewirr, welches er sich zur Wohnung ausersehen hat, denn seine Stimme erklang genau aus jener Gegend. Ich habe schon viele Löwen beobachtet und weiß, in welcher Weise sie sich nahen. Dieser kommt sehr langsam herbei, denn das Feuer macht ihn bedenklich; aber in einer halben Stunde wird er in der Nähe sein und unser Lager umkreisen.“
„Um den Raub auch wirklich auszuführen?“
„Ganz gewiß, Effendi. Er hat es uns laut gesagt und wird sein Wort halten. Beladen wir schnell unsre Tiere, um diesen bösen Ort augenblicklich zu verlassen!“
„Fliehen sollen wir?“
„Ja, und zwar so schnell wie möglich.“
„Vierzehn Männer? Vor dieser Katze?“
„Effendi, es ist keine Katze!“
„Es ist eine, wenn auch eine sehr große. Wer fliehen will, der mag es tun. Aber die Kamele bleiben hier, denn ich habe sie gemietet.“
„Er wird mir eins zerreißen!“
„So bezahle ich es dir!“
„Er kann auch gar mich selbst zerreißen!“
„In diesem Fall kommst du noch heute in Allahs Paradies; also freu dich darauf.“
„Ich gehe. Ich will noch leben!“
„So mach dich von dannen; aber indem du dich von den Feuern entfernst, die auch der Löwe scheut, begibst du dich in eine noch viel größere Gefahr. In der Dunkelheit draußen vermagst du das Tier nicht zu erkennen, und es fällt über dich her, ohne daß du es geahnt hast.“
„Allah, Allah! Also sollen wir hierbleiben und ruhig warten, wen von uns er sich holen werde?“
„Nein, denn ich werde ihn töten.“
„Du? Niemand wird dir beistehen.“
„Das fordere ich gar nicht.“
„Also du allein willst dich ihm entgegenstellen? Effendi, bist du toll?“
„Nein. Ich habe Tiere erlegt, welche ebenso gefährlich wie der Löwe sind. Mit ihm habe ich zwar noch nie gesprochen, aber er wird mit sich reden lassen. Dabei werde ich dafür sorgen, daß er euch nichts tun kann.“
Jetzt erhob der Löwe seine Stimme wieder. Es war kein Grollen oder Knurren mehr, sondern ein wenn auch nur kurzer, aber doch fürchterlicher Ton, welcher auf die Hörer ganz den Eindruck machte, als ob er ihnen die Kopfhaut empor ziehen wolle.
„Er ist wieder näher!“ jammerte der Scheik. „Er hat schon die Hälfte seines Weges zurückgelegt. In einer Viertelstunde ist er da. Meine Kamele, meine schönen Kamele!“
„Du selbst Kamel! Treffen wir schnell die nötigen Anstalten! Wir müssen ihn zwingen, sich nach der Stelle zu wenden, an welcher ich ihn erwarten werde. Durch das Wasser kommt er nicht, also muß er entweder von rechts oder von links zu uns, weil wir uns mit den Tieren zwischen der Quelle und dem Felsen befinden. Macht hier das Feuer breiter und facht es höher an, so wird er es vermeiden, hier hereinzubrechen. Bindet die Tiere fest an die Zweige, damit sie nicht fliehen können. Und dann könnt ihr euch meinetwegen hinter dem Gepäck verstecken.“
„Und du, was wirst du tun, Herr?“ fragte der Slowak.
„Ich gehe auf die andre Seite, lösche dort das Feuer aus, so daß er nicht abgeschreckt wird, und warte, bis er kommt.“
„Du wirklich ganz allein?“
„Ja, ich bedarf wahrscheinlich der Unterstützung andrer nicht.“
Er gab diese Befehle und Antworten mit der Ruhe und Kaltblütigkeit eines Unteroffiziers, welcher auf dem Kasernenhof seine Leute instruiert.
Die Araber und auch die Dschellabi hatten sich sehr beeilt, das Feuer zu vergrößern und die Tiere anzubinden. Nun drängten sie sich alle mit Ausnahme des Ungarn und Alis zwischen den Gepäckstücken und der Felswand zusammen. Die beiden
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