260 - Fly me to the moon
eine extrem schnittige, aerodynamische Form, die für Manöver innerhalb einer Atmosphäre auch unabdingbar war. Silbern glänzend präsentierte sich das Material, aus dem das Fahrzeug gefertigt war. Der natürliche Hitzeschild leistete Unglaubliches. Binnen weniger Minuten schien die Außenhaut auf Umgebungstemperatur abgekühlt zu sein, und nirgends waren noch Spuren des Plasmastroms zu sehen, auf dem das Vehikel die Atmosphäreschichten durchstoßen hatte.
Vogler gab Clarice ein Zeichen, das ihr signalisierte, was er vorhatte. Dann trat er aus den Schatten der Bäume hervor, taxierte kurz den Strandverlauf nach beiden Seiten, und winkte dann temperamentvoll nach oben.
Es dauerte – aus Voglers Sicht – eine kleine Ewigkeit, bis das Shuttle sich endlich herabsenkte und in Steinwurfentfernung landete.
Clarice rührte sich nicht von der Stelle. Scheu blickte sie zu Vogler, der noch einmal zu ihr zurückging, sie am Arm fasste und behutsam zu dem Raumfahrzeug führte, das sich wie ein stählernes Insekt vom hellen Sand abhob.
Eine Luke fuhr auf und eine kurze Einstiegsrampe glitt zu Boden.
Vogler schob Clarice vor sich her. Erst schien sie zu zögern, doch dann schritt sie die schräge Rampe hinauf und der Schleuse entgegen.
Vogler erkannte in deren Rahmen funkelnde Sensoren und Scannerleisten, die darauf warteten, sie zu durchleuchten und abzutasten. Das war Standard-Prozedur nach Außeneinsätzen – und ganz besonders nach dem ihren, der sie drei Jahre über eine kontaminierte Erde geführt hatte. Vermutlich würden sie die ersten Stunden in Quarantäne verbringen müssen, bevor sie entgiftet waren.
Clarice durchschritt die Schleusenöffnung, Vogler wollte ihr dichtauf folgen. Doch in diesem Moment glitt seitlich ein Sicherheitsschott aus der Shuttle-Wandung und riegelte den Zugang hinter Clarice hermetisch ab. Gleichzeitig drang aus dem Inneren des Shuttles ein Alarmton.
Verwirrt, aber noch nicht ernsthaft beunruhigt richtete Vogler seinen fragenden Blick auf das Shuttle. Hatte man einen Krankheitserreger oder Parasiten auf Clarices Raumanzug entdeckt, der erst bereinigt werden musste?
Dann – nach über einer Minute, die Vogler unendlich länger vorkam – öffnete sich das Schott wieder, und eine Stimme aus dem Shuttle forderte ihn auf: »Tritt durch die Schleuse! Solltest du dich weigern, müssen wir das Feuer eröffnen!«
Vogler hatte nicht vorgehabt, sich zu weigern. Aber jetzt zögerte er. Das Blut wich aus seinem Gesicht, und für einige Sekunden wusste er nicht, was er tun sollte.
Denn vor ihm in der Schleusenkammer lag Clarice reglos auf dem Boden! Die Erkenntnis sickerte nur langsam in Voglers Gehirn: Man hatte auf sie geschossen!
Nun gellten in ihm die Alarmglocken. Etwas stimmte nicht! Waren sie in Abwesenheit zu Staatsfeinden erklärt worden? Wollte man sie gefangen nehmen? Was um alles auf dem Mars ging hier vor?
Im ersten Reflex wollte sich Vogler herumwerfen und die Flucht ergreifen. Nur die Stimme hinderte ihn daran:
»Geh durch die Schleuse, Vogler! Mit erhobenen Händen! Wenn du wirklich Vogler bist, wird dir nichts geschehen!«
Der Sinn der Worte erreichte Voglers Logikzentrum nicht. Er setzte nur mechanisch einen Fuß vor den anderen und trat über die Schwelle.
***
Vor ihnen lag die Höhle.
Jor gebot seinem Trupp auszuschwärmen. Erst unmittelbar vor der Öffnung im Fels strömten sie wieder zusammen. Hier war die Stelle, wo der Mehrgesichtige sich den Mitgliedern des Stammes, die sich locken ließen, präsentiert hatte. Hier hatte er sein Gift in ihre ungeschützten Geister fließen lassen.
Nur Jor war ihm nicht erlegen – einen Mond war das nun her. Seither hatte er nach einer Lösung, nach einem Mittel gegen den Täuscher gesucht. Schließlich war er auf diesen Plan gekommen. Doch ob der Rausch, in den er seine Begleiter versetzt hatte, ausreichte, um den Dämon zu besiegen… das musste sich erst erweisen.
Als er das Zögern seiner Krieger bemerkte, drängte er selbst wieder an die Spitze. Nachdem er mit Gebärden seine Instruktionen wiederholt hatte, übertrat er die Schwelle und tauchte in die Düsternis ein, die dahinter lauerte.
Er spürte, wie die anderen ihm folgten; zu hören war kaum etwas.
Das gab ihm Zuversicht. Mit etwas Glück würde der Dämon mit den vielen Gesichtern von ihrem Angriff überrascht werden. Und mit diesem Vorteil konnte es ihnen vielleicht tatsächlich gelingen, den heimtückischen Gegner zu überrumpeln und zu besiegen. Sie mussten
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